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P. THOMAS HÄBERLE OSB

RATEN UND RETTEN

Eine Rückschau
nach Jahren praktischer Erfahrung

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

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© 2013 Residenz Verlag

im Niederösterreichischen Pressehaus

Druck- und Verlagsgesellschaft mbH

St. Pölten – Salzburg – Wien

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.

Keine unerlaubte Vervielfältigung!

ISBN ePub:

978-3-7017-4437-4

ISBN mobi:

978-3-7017-4438-1

ISBN Printausgabe:

978-3-7017-3016-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Erinnerungen

ALLGEMEINES

Überspezialisierung der heutigen Medizin

Komplexität der Krankheiten – konkrete Beispiele

SPEZIELLE KRANKHEITEN

Depressionen

Blutdruck

Fieberschübe

Harnsäure im Blut

Gicht (Arthrose)

Folgen von Antibiotika und fiebersenkenden Mitteln ....

Nebenerscheinungen bei der Gichtbekämpfung

Nierensteine

Leistenbrüche, Schenkelbrüche, Gebärmuttersenkungen

Bettnässen und infektiöser Zucker

Zentrum X

Öltest

Migräne

Kopfblutungen

Innere Stimmen, Nachtwandeln, Epilepsie

Sinnesstörungen

Heuschnupfen und ständiger Nasenfluß

Kinderlosigkeit

Sexuelle Überreizungen

Krankheit und Charakter

Dämonisches?

Grundsätzliches zu heutigen Auffassungen

Recht auf Lust?

Sorglosigkeit gegenüber der Gesundheit

Gesundheitsskrupulanten

Der Frosch im Magen

Der überforderte Pendler

Moderne Sklaverei

Sport und Studium

Fremde Behandlungsmethoden

Nach Jahren

Den Lebenden und Heimgegangenen verbunden

Über den Aufbau einer „Hausbibliothek“

Vorwort

Meine bescheidene Schrift „Helfen und Heilen” fand nach den ersten zaghaften Gehversuchen eine unerwartet gute Aufnahme und damit auch Eingang in viele Familien und ist dort ein beliebter Ratgeber geworden. Damit könnte man die Sache auf sich beruhen lassen. Doch hat es sich anhand der gemachten Erfahrungen gezeigt, daß immer wieder Ergänzungen und Verbesserungen angebracht werden müssen. Dies ist begreiflich, denn wo hat ein Mensch je zu lernen aufgehört? Und wo könnte ein gewöhnlicher Mensch für sich Unfehlbarkeit beanspruchen? Des weiteren bekomme ich ständig Anfragen, wie dies und jenes gemeint sei, was ich in der ersten Schrift niedergelegt habe, und es müßte das eine oder andere genauer und eingehender behandelt werden. Diesen berechtigten Wünschen konnte ich mich nicht verschließen, und ich prüfte die Möglichkeit einer Neubearbeitung. Als ich aber die Weite der notwendigen Ergänzungen, Verbesserungen und Präzisierungen überschaute, reifte in mir der Plan, meine Schrift nicht nochmals grundlegend umzuarbeiten, sondern eine zweite Schrift zu verfassen, die den allgemeinen Wünschen entgegenkommt und in manchem als Kommentar zur ersten Schrift betrachtet werden darf. Dieser zweite Band liegt nun als Frucht einer zwanzigjährigen Erfahrung gedruckt vor. Möge dieser dieselbe gute Aufnahme finden wie „Helfen und Heilen“.

Eines möchte ich aber im voraus betonen: Man wird im zweiten Band nicht der Reihe nach übersichtlich angeführte Rezepte finden; vielmehr soll der Leser und Ratsuchende sich in meine Ausführungen hineinlesen, sich diese aneignen und dann selber das für ihn Richtige herausfinden.

P. Thomas Häberle OSB

Erinnerungen

Freundliche Leser meiner beiden Schriften haben mir gelegentlich zu verstehen gegeben, daß sie gern etwas mehr aus meiner Jugendzeit erfahren möchten, Erlebnisse von meiner Mutter her, die auf mich bestimmend einwirkten und mir den künftigen Weg wiesen. Auch diesem Wunsch entspreche ich gern, und ich tue es in dankbarer Erinnerung an meine Mutter selig, die schon viele Jahre in der Ewigkeit weilt.

Ich sehe sie noch heute lebhaft vor mir, die stattliche, großgewachsene Frau mit den großen dunklen Augen und dem schwarzen Haar, wie sie, wenn wir ein Weh hatten, mit einer braunglasierten Schüssel, aus der ein Holzspatel schaute, und mit einem Tuch auf dem Arm herkam, auf das Tuch den mit Essig und Wasser angerührten Lehmbrei strich und ihn auf die erkrankte Stelle drückte. Am Morgen gab es dann freilich ein Wehgeschrei, wenn der mit den Haaren verklebte harte Lehmbrei entfernt werden mußte. – Heute sage ich den Leuten, sie sollten erst auf die Haut Gaze legen und dann den Lehmbrei auftragen, so daß er wieder leicht und schmerzlos entfernt werden kann. – Zum Lehmbrei aus Heilerde möchte ich bemerken, daß er in vielen Fällen noch stärker wirkt als das Kabisblatt und sogar dort Erfolge zeigte, wo das Kabisblatt nicht mehr half.

Meine Mutter erzählte mir einmal die Geschichte von einem Mann, dem über ein Drittel der Haut verbrannt war. Bei einer solchen Verbrennung war der Tod sicher. Man habe nun im Garten ein tiefes Loch ausgehoben, den Mann bis zum Hals hineingesteckt und das Loch mit gesunder Erde aufgefüllt. Bald habe sich die neue Haut gebildet gehabt, und der Mann sei gerettet gewesen. – Und stach uns einmal eine Biene oder eine Wespe, so legte sie feuchte Erde auf, und bald war der Schaden behoben. Oder sie erzählte von einem 13jährigen Buben, der schon monatelang starke rheumatische Schmerzen hatte. Man habe ihm zwei Tassen Holunderblütentee zu trinken gegeben. Zwei Stunden sei der Bub in einem richtigen Delirium gewesen. Dann mußte er Wasser lassen, und das Wasser gerann zu einem weißen Klumpen, und fortan habe der Bub nie mehr Rheuma verspürt.

Eine Erinnerung läßt mich aus einem ganz besonderen Grund nie mehr los. Wir hatten in unserer Pfarrei einen sehr eifrigen Pfarrhelfer gehabt, Doktor der Theologie und Neffe eines Generalvikars. Er war ein freundlicher, gütiger Mann, war aber immer ernst. Die Mutter sagte, er sei magenkrank und bedürfe der Schonung, und darum gehe er nie in Gesellschaft. Dieser Geistliche machte auf mich immer einen besonderen Eindruck, und ohne zu wissen warum, fühlte ich mich zu ihm hingezogen. An einem Sonntagmorgen, bald nach meinem ersten Weißen Sonntag – ich war damals elf Jahre alt und wurde meist in die Frühmesse geschickt, weil ich den Vormittag über Konditoreiwaren auszutragen hatte -, las er wieder die hl. Messe. Ich kniete eben an der Kommunionbank. Sonnenlicht erfüllte den Chorraum, und Glanz lag auf dem Altar, und wie der Geistliche, ganz in das österliche Weiß gekleidet, so würdig das hl. Sakrament spendete, erwachte in mir blitzhaft der Gedanke, es müsse doch etwas Schönes sein, als Priester des Amtes walten zu dürfen. Und wenige Tage danach fragte mich am Abend die Mutter, als sie eben das eine Schaufenster unseres Ladens richtete und ich neben ihr stand und zuschaute: „Bub, was möchtest du eigentlich werden?“ Da antwortete ich ohne langes Besinnen: „Ich möchte Geistlicher werden.“ Die Mutter meinte darauf: „Daran denk gar nicht! Da müßtest du ein viel braverer Bub sein, als du es bist!“ Ich war der festen Überzeugung, daß dies so sei, und dachte dann nicht mehr daran.

Darüber verging ein halbes Jahr. Eines Tages ging die Nachricht durch die Stadt: „Der Pfarrhelfer ist an einer Magenoperation gestorben.“ Wie es damals noch Brauch war, versammelten sich alle Schulkinder im Pfarrsaal, wo der verstorbene Priester aufgebahrt war, um den Rosenkranz zu beten. Er lag friedlich da, in Violett gekleidet, und was mir dabei auffiel, mit offenen Augen. – Als ich dann nach Hause kam, sagte die Mutter: „Man hätte nicht operieren müssen. Die Geschwüre wären nach Auflegen von Leinsamensäcklein sicher aufgebrochen, und das Leben des Priesters wäre gerettet gewesen.“ – „Man hätte nicht operieren müssen“, dieser Satz ließ mich nicht mehr los. – Nun aber zurück zu alltäglicheren Dingen!

ALLGEMEINES

Da ich annehmen darf, daß hin und wieder auch ein Arzt meine beiden Schriften zur Hand nimmt, vielleicht aus reiner Neugierde oder auch, daß er wirklich einen nützlichen Hinweis zur Kenntnis nehmen möchte, will ich eingangs etwas über die Komplexität, das Ineinandergreifen verschiedener Krankheitsursachen sagen. Es ist schließlich erwiesen, daß des öfteren ein Ratschlag meinerseits helfen konnte, wo die Kunst der Ärzte offensichtlich versagte. Es kommt ja nicht darauf an, wer geholfen hat, sondern daß geholfen werden konnte. Dies ist doch das Ziel aller ärztlichen Kunst, daß Kranke wieder gesund werden. Die Schulmedizin hat vieles für sich, aber nicht alles. Wenn nun ein Heilmittel half, das außerhalb der Erfahrungen der Schulmedizin liegt, warum soll es der Arzt verwerfen? Er sollte sich doch in aller Bescheidenheit sagen: „Wenn ein Heilmittel in verzweifelten Fällen half, warum soll ich es selber nicht anwenden? Das tut meiner Ehre keinen Abbruch. Im Gegenteil: es stärkt das Vertrauen meiner Patienten.“ – Was meine persönliche Einstellung betrifft, möchte ich meine Erkenntnisse nicht eigensüchtig für mich bewahren, sondern anderen neidlos mitteilen, wie auch sie leidenden Mitmenschen wirksam helfen können. Dies allein ist Dienst an der Wahrheit und verantwortbar vor Gott.

Überspezialisierung der heutigen Medizin

Ich möchte also vor allem hinweisen auf die Komplexität der Krankheitsfälle. Man kann nicht einfach sagen: „Dieses und jenes Organ ist krank; was muß getan werden, daß es wieder funktionstüchtig wird?” Sondern: „Wo liegt die Quelle des Übels?” Dies ist nur möglich mittels der Gesamtheitsmethode. Das will sagen: Es muß sorgfältig erforscht werden, welches Organ oder welche Organe die Krankheit eigentlich verursachen. Hier rühren wir aber an einen wunden Punkt der modernen Medizin. Bezeichnenderweise fand ich vor nicht sehr langer Zeit in den schweizerischen Tageszeitungen eine Bemerkung, die wohl für einen großen Teil der gesamteuropäischen und nordamerikanischen Medizin Gültigkeit hat: Wir brauchten etwa 85 Prozent Allgemeinärzte und 15 Prozent Spezialisten. In Wirklichkeit haben wir aber bereits 60 Prozent Spezialisten und 40 Prozent Allgemeinärzte.

Was ist die Folge dieser Überspezialisierung? In vielen Fällen wird nicht mehr nach der eigentlichen Ursache einer Krankheit gefragt, sondern einfach das erkrankte Organ mit irgendeinem medizinischen Präparat oder mit einem chirurgischen Eingriff bedacht. Die weitere Folge ist dann vielleicht eine vorübergehende Besserung, der Herd der Krankheit ist aber nicht erfaßt; und so geht das Leiden weiter. Hier kommt mir unwillkürlich ein Ausspruch des deutschen Philosophen Langbehn, des einst berühmten Rembrandtdeutschen, in den Sinn: „Gott ist ein Universalist, der Teufel ein Spezialist.“ Freilich möchte ich damit nicht den wahren Spezialisten nahetreten, muß ich doch selber staunen, wie sie unheilbar scheinenden Krankheiten beikommen. Was ich bemängeln möchte, ist die Tatsache des heutigen Spezialistentums als solchem, und da sind die Klagen vieler heutiger Kranker berechtigt, die es satt haben, von Spezialisten zu Spezialisten gejagt zu werden, um am Schluß doch keine Heilung zu finden.

Komplexität der Krankheiten – konkrete Beispiele

Ich will nun versuchen, möglichst typische und konkrete Beispiele von Krankheitsbildern darzustellen und so gültige Hinweise auf eine gründliche und bleibende Heilung vorzulegen. Dies sind meine Erfahrungswerte, für die ich ständig Bestätigungen meiner Beobachtungen und der daraus erfolgten Ratschläge erhalte. Als Grundregel meines Vorgehens gilt: 1. Die Gesamtdiagnose des erkrankten Menschen stellen und 2. nachfolgend dann die entsprechenden Schlüsse ziehen.

Darum muß ich erneut und eindringlich mahnen, daß man „sauber“ pendle. Es geht nicht an, einfach rasch ein Organ anzupendeln. Erst muß man das Pendel auf die zu untersuchende Person einstellen und dann sich die Mühe nehmen, nach dem bewährten Schema den ganzen Menschen durchzugehen, wie ich es in „Helfen und Heilen“ beschrieben habe. Sonst könnte es eine schwere Fehldiagnose geben. Ebenso soll der Pendler in aller Ruhe und ohne Hetze arbeiten können. Gerade darum ist neben dem Telefon nicht der richtige Ort zum Pendeln. Und die Leute, die bei sich pendeln lassen, sollen während der Untersuchung möglichst schweigen und den Pendler nicht durch ständiges Fragen und Dreinreden stören.