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Johanna Fürstauer

Im Bett mit …

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Vorwort

Penelope und das Bett des Odysseus

Intermezzo I: Wohl gebettet, wohl gelebt

Eine Kurtisane im Purpurbett

Intermezzo II: Märchenbetten im Glanz des Orients

Laila und die Tausendundzweite Nacht

Intermezzo III: Bettenfrust und Bettenlust

Königliche Bettgespenster

Intermezzo IV: Ein Bett zu vererben

Von Shakespeares Bettgeheimnissen

Intermezzo V: Repräsentation im Bett

Casanova – Herr über hundert Betten

Intermezzo VI: Von Sprungfedern und Lotterbetten

Lorenzo da Ponte – und ein Himmelbett zu versteigern

Intermezzo VII: Bettpatente und Schrankbetten

Sisi – und Titanias Bett

Intermezzo VIII: Emanzipation im Bett?

Colette – ein Bett für jede Lebenszeit

Intermezzo IX: Von Hollywood und Hippie-Betten

Marilyn und ein Bett voller Angst

Es stand ein Bett in Neverland …

Intermezzo X: Der indiskrete Blick durchs Schlüsselloch

Diana – Prinzessin im Tränenbett

Epilog

Literatur

Vorwort

Die Zivilisation – heißt es – begann mit der Nutzbarmachung des Feuers. Doch mit ebensolchem Recht könnte man behaupten, sie habe mit der Erfindung des Bettes eingesetzt. Der Mensch der Urzeit, der sein Leben als Krieger und Jäger zubrachte, hatte seine liebe Not mit dem Schlafen. Im Schlaf war er wehrlos den Gefahren einer feindlichen Umgebung ausgesetzt, er musste sich ein Rückzugsgebiet suchen, das ihn vor Überfällen und anderen Widrigkeiten des Daseins schützen konnte.

Die Schlafhöhle war für den gesunden Schlaf des Urzeitmenschen nicht weniger wichtig als für Bären oder sonstige Tiere der Wildnis. Mit dem Beginn der Sesshaftigkeit änderte sich alles. Der Mensch, der begonnen hatte, sich Hütten und Häuser zu bauen, in denen es sich einigermaßen in Sicherheit ruhen ließ, fing bald auch an, sich um die Bequemlichkeit seiner Behausung Gedanken zu machen. Die Schütte Laub oder Stroh, auf die er sich nach dem mühevollen Tagwerk der Lebenserhaltung für sich und die Seinen fallen ließ, reichte bald nicht mehr aus, um seine Ansprüche an einen einigermaßen ungestörten Schlaf zu befriedigen. Genau genommen wird es wohl die weibliche Hälfte des Menschengeschlechts gewesen sein, der die Idee des mehr oder minder komfortablen Schlafs zu verdanken ist. Die Frauen waren es ja wohl auch, die dem Mann die Annehmlichkeiten der Kochkunst sowie eines geeigneten Grundmobiliars für die zum Haus oder doch wenigstens zur Hütte mutierte »Wohnhöhle« schmackhaft gemacht haben werden.

Tisch und Bett, die beiden »Urmöbel« des Menschen, waren wahrscheinlich eine Erfindung der Frau – vielleicht aber auch nur eine Forderung, die sie an den Erfindungsgeist des Mannes stellte, um für sich und ihre Nachkommenschaft das Leben angenehmer – eben zivilisierter – zu gestalten. Der Tisch – oft nur ein Schragen mit einer Holzplatte darüber – stand für die gemeinsamen Mahlzeiten, seit man sich nicht mehr damit begnügte, das Fleisch eines erlegten Tieres am offenen Feuer gebraten, zu verzehren. Und im Bett, in dem man sich zu gemeinsamem Schlaf ausstreckte, fanden im Regelfall alle wesentlichen Stationen des Lebensablaufs statt: Zeugung, Geburt und Tod. Die Gemeinschaft von Tisch und Bett konstituierte das Leben der Paare – »getrennt von Tisch und Bett« heißt es heute noch im Fall der Trennung eines Paares.

Zu Beginn der Entwicklung war das Bett ein Vorrecht für Könige und Fürsten, und ganz allmählich auch für Leute, die sich den Luxus eines individuell gestalteten Bettes leisten konnten, bei denen Reichtum die Stelle der Macht vertrat. Für den kleinen Mann blieb nur eine kümmerliche Bretterbettstatt mit Strohsack oder auch ein Gemeinschaftslager, auf dem zu mehreren eher schlecht als recht geschlafen wurde. Das Bett des Bürgers wie des Bauern begann sich erst ganz allmählich durchzusetzen. Noch im 19. Jahrhundert war das geräumige Ehebett ein Privileg des bürgerlichen Paares wie des bäuerlichen Hofinhabers. Das Jungvolk, und vor allem die Dienstboten, Knechte wie Mägde, waren auf eine schmale Bettbank angewiesen, mit Strohsack, versteht sich – um sie nicht zu Unzucht und Faulheit zu verleiten, wie es hieß. Heute ist das Schlafzimmer samt seinem Kernstück, dem Bett, weitgehend in den Mittelpunkt der »Wohnkultur« gerückt. »Wie man sich bettet, so schläft man«, heißt es, und jedermann ist folglich bestrebt, sich so gut wie möglich zu betten, z. B. mit verstellbaren, elastischen Lattenrosten und Federkernmatratzen darüber, oder auch in einem schwellenden Wasserbett, in dessen schwankenden Bewegungen man sich wie auf einer luxuriösen Kreuzfahrt der Träume fühlen kann.

Das Bett ist – wie der Großteil der Weltregierungen – demokratisch geworden, und jeder kann, wie er mag, seinen eigenen Bettstil entwickeln. Weil es aber nicht nur ein Ort des Schlafens, sondern auch der Intimität ist, haben Bettgeschichten, gleich welcher Art, immer auch einen Hauch von Lüsternheit, ja manchmal sogar von Verruchtheit. Im Bett findet Leidenschaftliches und gelegentlich durchaus Skandalträchtiges statt, das die Fantasie des Betrachters zuweilen gewaltig in Erregung versetzen kann.

Riskieren wir also einen Blick auf einige der alten und neuen, höfischen und bürgerlichen Betten und ihre Geschichten, und wir werden in jedem davon ein Stück Menschlich-allzu-Menschliches finden. Denn: Bettgeschichten verraten mehr über ihre Schläfer, als diese sich je träumen lassen würden.

Penelope und das Bett des Odysseus

Der Dichter – Homer? – war blind, und an die Gegenstände der Außenwelt konnte er sich nur ertastend heranwagen. Vielleicht blühte deshalb seine Fantasie so überreich, war sein inneres Auge so voll von Bildern und Farben. Zehn Jahre Krieg und Brände und blutige Abenteuer breitete er vor seinem Publikum aus, und weitere zehn Jahre, diesmal auf stürmischer See, im Kampf mit Ungeheuern und in den Armen lustbegieriger Frauen, von denen keiner wusste, waren es Irdische oder doch fremde Zaubergeschöpfe. Und dazwischen nichts Beharrendes, kein Ruhepunkt, der zum Verweilen einlud. Der Dichter muss selbst gespürt haben, dass es so nicht weitergehen konnte mit seiner Geschichte. Da war zu viel Unruhe darin, nichts, woran sich der Zuhörer festhalten konnte inmitten all der eruptiven Ereignisse.

Ein Bett musste her, freilich kein gewöhnliches, vielmehr ein ganz besonderes, das Beharrung und Stabilität verkörperte, und es sollte des Helden ureigenste Schöpfung sein. Der Held war Odysseus, damals noch ein junger Bursche. Eben dabei, sich auf seiner Insel Ithaka seine eigene Welt zu erbauen, trieb es ihn aber zugleich hinaus ins Ferne, zu unerwarteten Abenteuern und unbekannten Gefahren. »Such dir eine Frau und übernimm hier das Ruder«, wird ihn sein alternder Vater Laertes des Öfteren ungeduldig ermahnt haben, wenn sich der Junge allzu heftig in seine Träume verstrickte. »Das will ich tun, Vater«, antwortete der Sohn dann wohl. »Aber erst will ich meiner Zukünftigen ein Bett errichten, wie es die Welt noch nicht gesehen hat.« Und er begann, den Kopf voller Ideen und mit unerwarteter Ausdauer, mit seiner Arbeit. Ein Bett »für die Ewigkeit« sollte es werden, beständig und auch Beständigkeit fordernd, ein Symbol und noch mehr ein Prüfstein für die eheliche Treue. Der Dichter konnte am Ende nicht genug Worte finden, es zu beschreiben; Jahrzehnte später sollte es die Identität seines Erbauers und seine viel bezweifelte Heimkehr bezeugen, denn nur der Mann selbst und die Gattin kannten dessen Geheimnis.

Keiner hatte dem jungen Odysseus beim Bettenbau geholfen, das würde er sich verbeten haben. Tag um Tag werkte er allein mit Beil und Hobel, Schweiß rann ihm über Brust und Schultern, und seine Muskeln schwollen unter den kräftigen Hieben, mit denen er den erdverankerten alten Olivenbaum hinter dem Palasthof zum tragenden Bettpfosten zurechtschnitt und glättete.

»Was ist es, woran der Junge so eifrig arbeitet?«, wird sich wohl der eine oder andere gefragt haben, war doch Odysseus eher bekannt als einer, der seine Ziele mehr mit dem Kopf als mit Muskelkraft zu erreichen verstand, und noch nie hatte man bei ihm solchen Eifer gesehen. Nur während der heißesten Mittagsstunden ruhte er sich aus im grausilbernen Schatten des Baumes; denn dessen Krone kappte er erst, als er rundum die Mauern aufgeführt hatte, die den Bettraum umschließen sollten. Während all dieser Arbeit wird er sich wohl die Gattin vorgestellt haben, die dieses Bett mit ihm teilen würde. Nein, nicht die »Schönste der Schönen« sollte es sein, wiewohl auch er, wie die übrigen Fürstensöhne weitum, nicht ungern um Aphrodites goldgelockten Liebling Helena geworben hätte. Doch daraus wäre natürlich nichts geworden. Frauen wie Helena waren anspruchsvoll, was den Luxus des Lebens betrifft, und der kluge Odysseus beschloss, nicht die Schönste, nein, die Tugendhafteste unter den Frauen sollte die seine werden, beständig wie das Bett, das er mit eigenen Händen für sie schuf.

Als nun das Schlafgemach samt unverrückbarem Bett endlich fertiggestellt war, zog er aus, um seine Erwählte heimzuholen. Und Penelope, die Tochter des Spartanerkönigs Ikarios und einer wasserlüsternen Najade, wird das Bett in Besitz genommen haben mit dem stolzen Bewusstsein des Einmaligen, des für sie Geschaffenen. Freilich war Odysseus nicht eben das, was man in ihren Kreisen als »beste Partie« zu bezeichnen pflegte. Dazu war seine Inselherrschaft zu gering, seine Erscheinung zu wenig spektakulär. Kurzbeinig sei er und obendrein rothaarig, und Ithaka eine Ziegeninsel, spottete der mächtige, aber tölpelhafte Festlandkönig Menelaos. Mit beidem hatte er nicht so unrecht. Denn Odysseus war ein Mann von wenig Macht und kaum ansehnlicher Größe. Die Insel – sein Reich – nicht viel mehr als eine Ansammlung von Gehöften, Fischerdörfern, Olivenhainen und ab und zu einem Weinberg; dazu die Ziegenherden, die die unwegsameren Regionen kahl fraßen – ja und ein paar Dutzend kampferprobter und seetüchtiger Männer. Das war Ithaka.

Menelaos freilich, so meinten die neidischen Nachbarn, habe durch seine Heirat mit Helena das große Los gezogen; was sich wenige Jahre später allerdings als Trugschluss erweisen sollte. Und wer weiß, ohne den klugen Rat des Odysseus, die einstigen Freier einen Pakt mit Menelaos schließen zu lassen, mit dem sie beschworen, seine Ehe gegen alle Widersacher zu verteidigen, wäre um sie schon damals so mancher Streit unter feindlichen Nachbarn entbrannt.

Indes, des Odysseus Ehe ließ sich, alles in allem, recht gut an. Es wird viel gescherzt und geschäkert worden sein rund um das Bett, und auf vielerlei Arten Liebe getrieben, denn Odysseus, als ein Mann von Ideen, war vermutlich auch erfindungsreich, wenn es um neue Facetten des Lustgewinns ging. Er mag darin so sportlich gewesen sein wie Jahrhunderte später der Römer Ovid, der mit seinen »Positiones« zu seiner Zeit Männer wie Frauen begeisterte. Penelope, von den männlichen Leistungen ihres Gatten entzückt, erwies sich in doppelter Hinsicht als Juwel: Tagsüber war sie die rührige Hausfrau, die ihre Klugheit wie ihre Hände nutzte, um das Hauswesen zum Besten des Gatten zu leiten. Des Nachts aber folgte sie ihm neugierig witternd wie eine junge Hindin dem Hirschen. Kurz, alles stand bestens, und in angemessener Frist gebar die Gattin auch den ersehnten Sohn: Telemachos, den Erben.

Es hätte ewig so weitergehen können mit den beiden, zumal die weise Göttin Athene ihre schützende Hand über Odysseus und die Seinen hielt. Wäre da nur nicht dieser fatale Schönheitswettbewerb unter den Göttinnen gewesen, bei dem Aphrodite trickste, indem sie dem eitlen Trojanerprinzen Paris, der den Schiedsrichter machte, die schönste Frau als Bestechungsgeschenk anbot. Der Junge, in diplomatischer Mission an den Hof des Menelaos gekommen und vom ersten Augenblick an in Helena vernarrt, warf den goldenen Apfel also in Richtung Aphrodite und segelte wenig später, mit Helena im Schlepptau, nach Troja zurück.

Menelaos, von einem Jagdausflug bei Verwandten heimgekehrt, nahm wutschnaubend die Veränderung seines Hausstands zur Kenntnis und ließ die Kriegstrompeten blasen. Das bedeutete, der Beistandspakt, den Odysseus für den Fall der Fälle ausgehandelt hatte, wurde schlagend, was ihm um seines häuslichen Glückes willen ganz und gar nicht gefiel. Gerne hätte er sich herausgehalten, mimte sogar, freilich vergeblich, den wahnsinnig Gewordenen, indem er den Sandstrand pflügte und Salz in die Furchen streute, als wäre es guter Samen. Doch die List wurde als solche entlarvt, und so hieß es schließlich Abschied nehmen auf unbestimmte Zeit. Natürlich glaubten die aufbrechenden Männer an ein kurzes Kriegsabenteuer und eine triumphale Heimkehr mit mächtiger Beute. Zu Beginn jedes Kriegs glauben sie dasselbe, und wenn einer je Zweifel äußert, wird er von seinen »Führern« rasch eines Besseren belehrt. Das wusste auch der Dichter, der sich zum Chronisten eines zehnjährigen Krieges machte. Und hätte der schlaue Odysseus nicht schließlich das Trojanische Pferd erfunden, um den Feind von innen her zu besiegen, wer weiß, die Helden hätten noch weitere Jahre vor den uneinnehmbaren Mauern im Sand gelegen.

Penelope indessen, die jäh aus ihrem häuslichen Idyll gerissene Gattin, blieb allein zurück mit Kind und Hof und Gesinde, allein auch mit dem riesigen Bett voller Erinnerungen an glückliche Nächte. Dieses Bett ist es, das sie Nacht um Nacht ihre Verlassenheit schmerzhafter spüren lässt. Zu manchen Zeiten möchte sie es samt seinen Wurzeln ausreißen, und zugleich klammert sie sich daran, ist es doch das einzig Beständige in ihrem mehr und mehr abdriftenden Leben.

Die Jahre vergehen scheinbar ins Leere, ein Kriegsjahr mündet ins nächste, und die Nachrichten von der Belagerungsfront vor Troja sind spärlich. Dann, endlich, die Botschaft vom Durchbruch: der Sturm auf die Stadt, das große Plündern! Bald finden sich die überlebenden Helden, mit reicher Beute beladen, auf ihren Schiffen ein und rüsten zur glücklichen Heimfahrt. Die ist freilich nicht jedem beschieden. Agamemnon zum Beispiel, der oberste Heerführer: im Bad erschlagen von der eigenen Gattin und ihrem Liebhaber! Oder Idomeneus, der König von Kreta: durch einen leichtfertigen Schwur an Poseidon gezwungen, das erste Lebewesen, das bei der Heimkehr seinen Weg kreuzt, zu opfern: Es sollte sein eigener Sohn sein, den er damit in den Tod reißt. Was für ein Schicksal!

Penelope, der immer Getreuen, rieseln bei solchen Nachrichten wohl kalte Schauer über den Rücken. Doch unverdrossen treibt sie die Mägde zur Arbeit. Der Gatte soll alles bereit finden, wenn er in Kürze heimkehren wird von der beschwerlichen Reise. Bald ist alles gerichtet, das Bett mit dem besten Leinen bezogen, die Vorräte überbordend gestapelt für die große Willkommensfeier, das beste Fass Wein im Keller bereitgestellt.

Doch – Odysseus kommt nicht. Längst haben die Überlebenden des großen Krieges ihren angestammten Platz in ihrer Sippschaft wieder eingenommen, ihre Tage sich angefüllt mit Gelagen und deftigen Prahlereien von ihren Heldentaten. Bei den Besiegten heißen diese freilich Raub und Brandschatzung, Mord und Vergewaltigung. Doch die Sprache der Sieger ist anders, und der überstandene Krieg Grund genug zu einem wilden Taumel des Lebens. Für Penelope ticken die Uhren anders. Als die Jahre vergehen und nur vage Gerüchte von dem Verschollenen künden, finden sich an ihrem Hof ungebetene Gäste ein: gierige Männer, zweit- und drittgeborene Söhne der umliegenden Fürstenhöfe, die es auf ihre Hand und damit auch auf ihr Bett und die Herrschaft über das Inselreich abgesehen haben. Schließlich geht es in einer von Männern beherrschten Welt nicht an, das Regiment einer Frau zu überlassen. Wo käme man da hin? Frech drängen sich diese unerwünschten Gäste ihrer unfreiwilligen Gastgeberin auf, fordern Gastfreundschaft ein, verprassen ihr Hab und Gut, berauschen sich Abend für Abend an ihrem Wein, schwängern gar ihre Mägde. Und immer drängender fordern sie: »Heirate einen von uns, Frau, entscheide dich, oder du wirst es bedauern. Du brauchst einen starken Mann, dein Land zu regieren!« Hundert Listen muss die so Bedrängte erfinden, um das unvermeidlich Scheinende abzuwenden. Und so finden wir sie, an ihrem Webstuhl sitzend, auf dem sie, um eine ungeliebte Entscheidung hinauszuzögern, tagsüber am Leichentuch für den alten Laertes webt, ihren hinfälligen Schwiegervater. Eine letzte Pflicht habe sie so an ihm zu erfüllen, bedeutet sie den drängenden Freiern, danach werde sie die begehrte Entscheidung über ihre Wiederverheiratung treffen. Sie sei bereit, dies zu beschwören, versichert sie – nein, es werde keine weiteren Verzögerungen geben, sobald das Tuch fertig gewebt sei, werde geheiratet. Sie sei nur noch unschlüssig, auf wen ihre Wahl fallen solle, schließlich seien sie ja alle prächtige Männer, und jede Frau könne stolz sein, einen von ihnen zum Mann zu bekommen. Sie könne nur hoffen, dass ihr bald die Last der Verantwortung abgenommen werde, die sie nun schon allzu lange beinahe erdrücke.

Kein Zweifel, den Freiern wässerte der Mund nach diesen vielversprechenden Ankündigungen. Ein Leichentuch – das dürfte nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, und bis dahin ließ man es sich wohl sein auf dem weitläufigen Anwesen. Schließlich sollte man die Gelegenheit nützen, denn bald schon würde einer von ihnen zum mächtigen Landlord der Insel werden und nebenbei noch diese knackige Mittdreißigerin ins Bett bekommen. Die stand noch voll im Saft und schien durchaus fähig, einem neuen Gatten einen weiteren Erben zu gebären, einen, der freilich sein Erbe nicht antreten konnte, ehe des Odysseus lästiger Welpe, Telemachos, auf die eine oder andere Weise aus dem Weg geschafft war. Vielleicht konnte man ihn ja auf die Suche nach dem Leichnam seines Vaters schicken? Ohnehin war der Junge angewidert von dem frechen Treiben der Freier, von sich aus nur zu gerne bereit, auf große Fahrt zu gehen, in der Hoffnung, den Vater lebend zu finden und nachhause zu holen. So organisierte er sich heimlich ein Schiff samt Besatzung, um in See zu stechen. Zwar schickten die Freier im Geheimen einen Mörder hinterher, doch der Plan seiner Ermordung schlug, dank der rettenden Wachsamkeit der Göttin Athene, fehl, und der Junge kehrte – enttäuscht, aber unversehrt – von seinem Abenteuer zurück.

Währenddessen webte Penelope standhaft an dem bewussten Leichentuch, allerdings ohne nennenswerte Fortschritte. Denn gemeinsam mit der einstigen Amme des Odysseus, der Mitverschworenen Eurykleia, war sie zur Nachtzeit damit beschäftigt, aufzutrennen, was sie untertags gewebt hatte. Zeit gewinnen, schien ihr Tag um Tag eine mahnende Stimme ins Ohr zu flüstern, eine Stimme, in der sie jene der Göttin Athene zu erkennen vermeinte, die bekanntlich ein besonderes Auge auf ihren Schützling Odysseus geworfen hatte. Der war – wenn man der Fama glauben wollte, die da und dort Bruchstücke von seinen Abenteuern auf hoher See auswarf – unterwegs auf den Inseln so mancher Nymphen und Zauberinnen gestrandet. Bei Kirke zum Beispiel, einem wahren Teufelsbraten von Weib – es hieß, sie verwandle die Männer, die ihr verfielen, in Schweine oder sonstiges Getier. Na ja, dazu bedurfte es nicht immer eines Zaubers. Penelope, das Muster an häuslicher Tugend, war immerhin nicht weltfremd. Sie wusste Bescheid um die Männer: Wenn es um weibliche Verführungskünste ging, gab es für die meisten kein Halten. Odysseus war da eher die Ausnahme als die Regel. Natürlich war auch ihm nicht immer über den Weg zu trauen, soweit es die eheliche Treue anging, aber er hatte doch genügend Verstand, um das Für und Wider abzuwägen. Indessen, die Fama hatte, wie schon erwähnt, ein rühriges Mundwerk und wusste so manches zu wispern. Aber immerhin, den Sirenen hatte er nicht den Gefallen getan, ihrem verheerenden Lockruf zu folgen, obwohl er neugierig genug gewesen war, ihrem Gesang zu lauschen, freilich festgezurrt an den Mast und so außerstande, der Torheit einer Begierde zu folgen, die zweifellos tödlich geendet hätte. Und auch die Sache mit Kirke war, wenn man der Fama glauben wollte, glücklich ausgestanden. Die »Schweine« waren – dank des Odysseus trefflicher Strategie – zurückverwandelt in stattliche Männer, und von dem, was sie mit Kirke getrieben hatten, wollten sie nichts mehr wissen. Was ihnen freilich nicht half im Kampf gegen den ewig zürnenden Poseidon, denn etliche Stürme später zerschellte ihr Schiff an den Klippen einer weiteren Insel, und die treuen Gefährten des Odysseus fanden allesamt in der gischtenden See den Tod. Er selbst aber wurde ans Ufer gespült, direkt vor die Füße der Nymphe Kalypso. Die gab sich als kerniges Fischerweib, das mit kräftigen Armen seine erschlaffte männliche Beute an Land zog und in seine kristallene Grotte schleppte.

Penelope saß unterdessen – webend und auftrennend – an ihrem Webstuhl. Und ständig hatte sie das Bett vor Augen, dieses überdimensionale, wunderbare Bett, das ein Geheimnis zwischen ihr und dem Gatten barg. Es ging nicht an, dieses Bett und sich selbst darin einem anderen zu überlassen. Und doch spürte sie, wie bei dem Gedanken, was darin alles geschehen war – und vielleicht noch geschehen könnte! –, sich unwillkürlich ihre Nackenhaare sträubten und kleine Feuerstöße durch ihren Körper zuckten. Ein Mann – ein Mann müsste her, um ihre erhitzte Leiblichkeit zu befrieden – o ja, ein Mann! Aber in diesem Bett ein anderer als Odysseus? Unmöglich!

Doch immer wieder ertappte sie sich bei der Frage, wie diese zudringlichen Burschen, die sie belagerten, im Bett wohl sein mochten. Immerhin protzten sie ja ständig mit ihrer Männlichkeit. Aber was es wirklich damit auf sich hatte, darüber wussten nicht einmal die Mägde, die es so schamlos mit ihnen trieben, Bescheid. Wie denn auch – wenn sich doch alles im rötlichen Dunstkreis einer nimmer endenden Trunkenheit abspielte?

Doch von Odysseus flüsterte und wisperte die geschäftige Fama, und wenig von dem, was sie vor der verlassenen Gattin ausbreitete, konnte dieser gefallen. Sie geriet dadurch mehr und mehr in ein Wechselbad der Gefühle, das sie zwischen Verzweiflung und zager Hoffnung umhertrieb. Hieß es doch einmal, er werde wohl für immer im Kristallpalast der Nymphe Kalypso bleiben, da diese ihm für seine Liebe ewiges Leben zugesichert habe. Doch Monate später – oder waren es Jahre? – behauptete Fama, er habe sich, von Heimweh übermannt, losgerissen aus den lockenden Armen und sei, auf einer Nussschale von selbst gezimmertem Boot, wieder in See gestochen in Richtung Heimat. Doch auch jetzt habe ihm der grollende Poseidon die Heimkehr verweigert. Der kindhaften Prinzessin Nausikaa und ihren Gespielinnen sei er am Strand der Phäaken, mehr tot als lebendig, mitten beim Ballspiel buchstäblich vor die Füße gefallen. Penelope hörte die Geschichte nicht gern. Ein von den Strapazen endloser Reisen gezeichneter Mann in mittleren Jahren und ein Mädchen von so zartem Alter – das konnte nicht gut gehen, zumal der Mann ein Held war und das kindhafte Mädchen – dazu noch eine Prinzessin – voll schwärmerischer Bewunderung und Mitleid für den Schwergeprüften sein mochte. Da lauerte Gefahr, befand Penelope, schließlich war ja bekannt, alternde Helden konnten den Reizen unschuldig-junger Dinger nur schwer widerstehen.

Mitten in ihre Gedanken hinein tönten wieder einmal Lärm und Gelächter, das übermütige Kreischen der Mägde, das Grölen der Männer. Vor die Tür tretend, fand Penelope ihre unerfreulichen Gäste bei einem höchst fragwürdigen Spiel: Sie machten Jagd auf einen greisen Bettler, trieben ihn mit Stößen und Püffen von einem zum andern, stießen ihn wie einen Spielball zwischen sich hin und her. »Mach, dass du wegkommst, wir brauchen hier keine Schmarotzer!«, schrien die, die selbst wahre Schmarotzerkönige waren, wie der gefräßige Riese Iros: »Zieh Leine, du stinkendes Aas, alles was du hier kriegen kannst, ist ein Tritt in deinen verschrumpelten Hintern!«

Der Koloss hatte wohl Angst, die stets gut gefüllten Schüsseln teilen zu müssen. Angewidert machte Penelope der wüsten Szene ein Ende, forderte das heilige Gastrecht ein für den von Armut und Alter geplagten Greis. Mit zorniger Stimme befahl sie den Mägden, dem Alten, wie es Brauch war, die Füße zu waschen und ihn mit Speise und Trank zu versorgen. Doch die aufgeplusterten Gänse weigerten sich, den schmutzigen Bettler anzufassen – das würde sie später noch teuer zu stehen kommen. Einzig Eurykleia, die betagte Amme, fand sich bereit zu den notwendigen Diensten.

Penelope, von einer ihr unerklärbaren Unruhe getrieben, beobachtete nachdenklich, wie die Alte sich an den schmutzverkrusteten Beinen hochtastete, wie sie behutsam über eine Narbe hinstrich. Und dann kam, halbblind, gar noch der alte Hund des Odysseus herangeschlichen, umschnupperte den Greis ausgiebig und mühsam, legte sich schwanzwedelnd vor ihm auf den Boden. Er war ein Welpe gewesen, als Odysseus einst auszog, nun schien ihm irgendetwas an dem Alten zu gefallen.

Penelope kam – wie durch eine Eingebung – plötzlich zu einem Entschluss. Sie befahl Telemachos, den mächtigen Langbogen des Vaters aus der Halle zu holen, und verkündete, die Zeit der Entscheidung sei endlich gekommen. Wer immer diesen Bogen spannen und einen Pfeil durch die Löcher von zwölf Äxten schießen könne, sei der Erwählte, erklärte sie mit vor Erregung bebender Stimme. Gewiss, dieser Bogen war nicht leicht zu spannen – aber was, wenn einer von denen das Kunststück doch fertigbrachte? Die Freier aber lachten und klatschten sich auf die Schenkel. Endlich war es so weit! Die geforderte Aufgabe war wohl zu leisten, schließlich waren sie ja alle waffenerprobte Männer. Und jeder hoffte insgeheim, der vom Schicksal Begünstigte zu sein.

Doch einer wie der andere musste erkennen, dem Bogen des Odysseus war keiner gewachsen. So sehr sie sich auch plagen mochten, ein Versuch nach dem anderen schlug fehl. Wild fluchend gaben die Freier auf, entschlossen, die Hand der Frau zuletzt mit Gewalt zu nehmen. Sie staunten nicht wenig, als der Bettler in demütig gebeugter Haltung vor Penelope hintrat und bat, doch auch einen Versuch wagen zu dürfen. Die Frau stimmte zu, mit einer resignierenden Geste und tiefer Unruhe im Herzen. Der Alte griff nach dem Bogen – und da ging eine unerklärliche Veränderung mit ihm vor: Seine Gestalt straffte sich, das graue Gesicht verlor seine Furchen und nahm einen strengen, ja herrischen Ausdruck an. Und – er spannte den Bogen …

»Der Bettler will König werden!«, schrien die Freier entsetzt, als sie sahen, wie der Pfeil surrend durch die Löcher der Äxte fuhr. Penelope stand wie versteinert und rang die Hände, sah, wie der Mann, der nun ganz und gar nicht mehr greisenhaft wirkte, den nächsten Pfeil ergriff – und wieder und wieder den nächsten, und im Hof ein großes Gemetzel anfing, bis die Freier alle blutend am Boden lagen – und nicht nur sie, auch ihr Gefolge kam rasch zu Tode. Zu allem Überfluss bestand Telemachos, sich aufplusternd wie ein junger Hahn, darauf, dass auch die treulosen Mägde starben. Sie wurden an einem Schiffsseil aufgeknüpft, ein Vorgang, der seiner Mutter verhasst war. Natürlich konnte Kollaboration mit dem Feind nicht geduldet werden, doch ihr hätte es genügt, den schamlosen Dirnen zum Zeichen der Schande die Köpfe scheren zu lassen und sie zu den niedrigsten Arbeiten zu verbannen. Fassungslos stand sie inmitten des Chaos, das dieser Fremdling um sie herum angerichtet hatte. Ihr war, als sei Ares persönlich, der Kriegsgott, in ihr Leben eingebrochen. Scheu betrachtete sie diesen unerbittlichen Fremden.

»Es ist Odysseus selbst, der Herr ist zurückgekommen!«, raunte sein treu gebliebenes Gesinde. Das war es, was auch seiner Gattin allmählich dämmerte. Natürlich musste er sich auch gleich als Herr aufspielen: »Geh ins Haus, Weib, und lass für uns Mahlzeit und Bett bereiten, bis ich hier Ordnung geschafft habe!« Seine Stimme war streng und ohne wärmenden Funken. So mochte er wohl mit seiner Mannschaft geredet haben, damals im Krieg. Und den Krieg hatte er auch auf ihr ureigenstes Gebiet getragen, wie die blutigen Toten ringsum bezeugten. Penelope floh händeringend ins Haus, unfähig, auch nur die Stimme zu erheben. Es war die rührige Eurykleia, die den Tisch für die Mahlzeit deckte und das Bett im Schlafraum bereitete.

Der Mann, der – vielleicht? – Odysseus war, kam später. Es waren größere Aufräumungsarbeiten notwendig gewesen, bis die Leichen auf ein abseits gelegenes Feld gebracht und dort verbrannt worden waren. Noch lag der Rauch dieser makabren Ernte schwer in der Luft. Der Mann aber stand schließlich auf der Schwelle, frisch gebadet und zurechtgemacht in einem Gewand aus bestickter Wolle und angetan mit rotem Schuhwerk, wie es sich für einen Fürsten gehörte. Penelope suchte in seinem strengen, von der Anspannung langer Jahre gezeichneten Gesicht die einst vertrauten Züge. Aber: Er glich dem Mann, den sie einst geliebt hatte – und glich ihm doch wieder nicht. Der Zweifel nagte noch immer an ihr. Sie sah ihn – und sah doch nicht, was sie sehen wollte. Wenn er Odysseus sein sollte, so musste sie doch noch ein Zeichen haben, das seine Identität bezeugen konnte. Natürlich, das Bett! Wenn er nicht Odysseus war, sondern nur sein Zerrbild, was konnte er dann von dem Bett und seinem Geheimnis wissen? Trügerisch lächelnd befahl sie Eurykleia, das Bett ans Fenster zu rücken, da sie frische Luft brauche. Doch kaum hatte sie ausgeredet, da donnerte der Mann zornig los: »Oh Weib, hast du denn wirklich das Wort ausgesprochen, das mich peinigt?« Und er beschreibt – in des Dichters eigenen Worten – lang und ausführlich, wie dieses Bett entstanden und beschaffen ist:

»Der Geschickteste noch hatte nicht vermocht, es sei denn mit Hilfe eines Gottes, der allein durch seinen Willen schon es vermöchte, dieses Bett an eine andere Stelle zu rücken! Aber kein Sterblicher, und sei er noch so kraftvoll, hätte es mühelos verrücken können. Wie dieses Bett beschaffen war, das war allein mein Geheimnis; ich allein habe es gezimmert, und ohne jede Hilfe. Inmitten des Platzes breitete ein Ölbaum seine Blätter aus; er war ausgewachsen und voll, und sein dicker Stamm hatte den Umfang einer Säule. Rings um diesen Stamm baute ich aus Stein die Wände unseres Schlafgemachs und bedeckte es mit einem Dach. Und als ich eine Tür aus Holz ohne jeglichen Spalt eingesetzt hatte, da erst kappte ich die Krone des Ölbaums, behaute den Stamm bis zu seiner Wurzel hinab, glättete ihn rings umher, machte ihn mit der Richtschnur gerade und nahm ihn als kunstvollen Pfosten des Bettes, mit dem ich den Rest verdübelte, und an diesen ersten Pfosten baute ich das ganze Bett und zierte seinen Rahmen noch mit Gold und Elfenbein und Silber und zog Gurte hindurch aus purpurner Stierhaut. Dies also ist unser Geheimnis! Genügt dir das als Zeichen? Ich möchte daher wissen, Frau, steht unser Bett noch am alten Platz oder hat man, um es woanders hinzustellen, den Ölbaumstamm durchtrennt?«

Doch: Die Sorge des Mannes ist überflüssig, das Bett steht unverrückt und unverrückbar an seinem Platz. Und auch Penelope hat nun Gewissheit: Der Fremdling in ihrem Haus – nein, bald auch in ihrem Bett – ist wirklich ihr Gatte. »Und sie waren erfreut, ihr Lager und die Rechte von ehedem wieder gefunden zu haben«, beschließt der Dichter seine Geschichte. Oh ja, erfreut – auch wenn sie beide nie wieder die sein konnten, die sie in ihren unbeschwerten früheren Jahren gewesen waren.

Intermezzo I

Wohl gebettet – wohl gelebt

In den antiken Kulturen Athens und Roms gehörte das Bett mehr oder weniger zu den Statussymbolen des Bürgers. Selbst der Bescheidenste unter ihnen strengte sich an, seinen Freunden wenigstens ein Speisesofa zu präsentieren, wenn er sie zu einem seltenen Festmahl lud. Zum Schlafen begnügte er sich oft mit einem einfachen Strohsack, über den ein Umhang als Decke gebreitet wurde. Richtige Betten und gar eigene Schlafkammern waren das Vorrecht begüterter Familien, die über genügend Raum verfügten. Die wichtigste Schlafstätte war natürlich das Ehebett, für das der Mann zu sorgen hatte, ehe er seine Braut heimführte. Homer freilich lässt seinen Helden Odysseus ein Übriges tun: Mit eigenen Händen und ohne jede fremde Hilfe schnitzt er ein Bett, das fest in der Erde verwurzelt ist, und errichtet darum herum die Brautkammer, das spätere eheliche Schlafgemach, ehe er auf Brautfahrt geht. Einzig Penelope, seiner Erwählten, vertraut er das Geheimnis dieses Bettes an, das so selbst nach langer Trennung zum Signal ihres Wiedererkennens wird. Im Allgemeinen aber hatten die Männer nicht so viel Fantasie, ihren Frauen derart geheimnisumwitterte Lagerstätten zu bieten.

Die Funktionen eines Bettes waren vielfältig. Die größte Aufmerksamkeit widmete man dem Ehebett, wurde doch darin – wie allerorts und zu allen Zeiten – geschlafen, geliebt und gezeugt, wobei allerdings weder die Griechen noch die Römer allzu eifrig waren; sollte doch der Besitz, der das soziale Ansehen garantierte, nicht zu sehr zerstückelt werden. »Im ehelichen Bett liegt kaum der Gebärenden eine«, klagte der Moralist Seneca einst. Im Übrigen schliefen Ehepaare längst nicht immer in einem gemeinsamen Bett, man sparte sich dies vielmehr für besondere Gelegenheiten auf. Und auch dann blieb die Zweisamkeit oft nicht gewahrt. Meist schlief, auf einer Matte dezent in einen Winkel gedrückt, ein Sklave oder auch eine Sklavin, um im Bedarfsfall das Paar zu bedienen, wobei oft auch recht intime Dienstleistungen erwartet wurden. Man sieht, die Moralisten hatten damals schon gute Gründe, sich über die Sittenlosigkeit der Zeit zu beklagen. Zu besonderen Anlässen, wie etwa der Brautnacht, wurde das Ehebett festlich bekränzt und mit Blütenblättern bestreut, das beste Bettzeug und parfümierte Kissen hießen die Braut in ihrem neuen Heim willkommen. Der Rest freilich glich eher einer legitimen Vergewaltigung. Liebespaare fanden sich nur selten im gemeinsamen Ehebett. Die Oberschicht wusste um den Wert klingender Namen und klingender Münze: Ehebeziehungen wurden vor allem unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit angebahnt.

Wie es um die Betten der Griechen bestellt war, erfahren wir unter anderem aus einer Komödie des großen Spötters Aristophanes, in der die schlaue Athenerin Lysistrata, der ewigen Kriege zwischen Athen und Sparta überdrüssig, ihre Geschlechtsgenossinnen zum Liebesstreik aufruft: Sie weiß, wie man den Männern ihre Kriegsgelüste verleiden und sie zu angenehmeren Tätigkeiten animieren könnte. Denn: »Säßen wir zuhause, reizend geschmückt, und spazierten halbnackt im durchsichtigen Florgewand und mit glatt gezupftem Schößchen vor ihnen her, sodass unsere Männer brennen würden vor Verlangen, wir aber würden, statt ihre Begierde zu befriedigen, uns verweigern, oh, so schlössen sie eilends Frieden, dessen bin ich mir sicher!«

Also überredet sie ihre vernachlässigten Geschlechtsgenossinnen zu dieser raffinierten Anti-Kriegs-Therapie, um so den Frieden zu erzwingen. Eine ihrer Freundinnen steigert die Streikwirkung noch, indem sie vor ihrem sexgestressten Gatten so tut, als gäbe sie seinem Drängen nach. Die hartherzige Dame befiehlt ihrem Mann, zunächst das Ehebett wieder aufzubauen, das sie von ihren Sklaven hatte entfernen lassen. Aristophanes schildert diesen Vorgang mit sichtlichem Vergnügen und in allen Einzelheiten – für uns eine gute Gelegenheit, uns einen Einblick in die griechische Bettkultur zu verschaffen: Der nach den so offenherzig zur Schau gestellten Reizen seiner »besseren Hälfte« förmlich hechelnde Gatte wird zum willigen Sklaven und schleppt zunächst einen hölzernen Rahmen mit breit geflochtenen Gurten herbei, der als Grundgerüst für das Lager dient. Eine oder mehrere Binsenmatten folgen, darüber werden von der Gattin selbst gewebte Decken gebreitet; Kissen, die mit unterschiedlichem Tiergefieder gefüllt sind, vollenden das Ganze. Endlich, als alles an seinem Platz ist, erwartet der Gatte, vor Erregung schwitzend, seine Belohnung. Aber: »Nichts da«, bedeutet ihm die unwillige Schöne. »Macht erst Frieden mit euren Feinden, sonst wirst du in diesem Bett nie willkommen sein!« Kein Wunder, dass die Athenerinnen – wenn auch nur in der Fantasie des Dichters – ihren Liebesstreik binnen Kurzem siegreich beenden könnten!

Heute verbringt der Mensch etwa ein Drittel seines Lebens im Bett. In der Antike war es mehr als die Hälfte. Man erledigte dort seine Korrespondenz und seine Geschäfte, empfing Besuche, las und aß sogar auf dafür geeigneten Liegen. Die Philosophen in den Bibliotheken studierten die Schriften ihrer Vorgänger und Rivalen auf bequemen Ruhebetten, in den öffentlichen Bädern erholte sich die sportliche Jugend darauf von ihren Fechtübungen – ganz zu schweigen von den Betten für den Schönheitsschlaf der Damen. Und auch bei den Mahlzeiten und Festgelagen hatte ein speziell dafür konstruiertes »Bett«, das Triclinium, eine wichtige Rolle. Auf dieser dreisitzigen Liege wurden im Normalfall die Mahlzeiten eingenommen. Wir wissen vor allem über die Tischsitten der Römer gut Bescheid. Petronius, ein zu Neros Zeiten viel gelesener Autor, hat sie in seinem Satyricon beschrieben. Die Ausgrabungen in und um Pompeji förderten zahlreiche Häuser mit nahezu intakter Innenausstattung zutage, die seiner Schilderung recht geben. Auch auf Vasenbildern und Mosaiken können wir zechende und schmausende Gestalten auf einem Triclinium entdecken.

Bei größeren Gelagen und feierlichen Anlässen wurden mehrere dieser Möbel so platziert, dass sie einen Halbkreis um die Liege des vornehmsten Gastes bildeten. Dazwischen warteten Tische mit einer überbordenden Fülle an Delikatessen und Getränken darauf, von den Gästen geplündert zu werden, während ein Heer von Sklaven beiderlei Geschlechts dafür sorgte, dass kein Wunsch unerfüllt blieb. Für Damen, die besonders auf ihre Ehrbarkeit achteten, wurden auch Stühle bereitgestellt, die allerdings gegenüber den freizügigen Triclinien recht steif anmuteten. Die intime Nähe, die diese schufen, bot reichlich Gelegenheiten zum Flirten – manchmal aber auch leider zu einem gut getarnten Giftanschlag.