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Frank Schäfer
1966

Frank Schäfer

1966

Das Jahr, in dem die Welt
ihr Bewusstsein erweiterte

Residenz Verlag

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Salzburg – Wien

Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.
Keine unerlaubte Vervielfältigung!

Quellenangaben:
S. 26 und 37: Karl-Heinz Neumann: Das Jahr im Bild – 1966. Carlsen: Reinbek bei Hamburg 1966
S. 120: »Günter Amendt: Die Legende vom LSD. Zweitausendeins: Frankfurt a. M. 2008«

Umschlaggestaltung: BoutiqueBrutal.com
Umschlagbild: iStock / Sunny_Lion
Typografische Gestaltung, Satz: Lanz, Wien
Lektorat: Josef Weilguni

ISBN ePub:
978-3-7017-3381-1

ISBN Printausgabe:
978-3-7017-4527-2

Inhalt

Das 1966-Gefühl

No-1-Hits Januar

Woolworth für Acid Heads

Der Starkstrombrause-Trip

Explodierende Plastikwelt

Der Palomares-Vorfall

Sonnenscheinjäger

Mittwoch, 26. Januar

No-1-Hits Februar

Übersteuerung

Der Marsch auf das Amerikahaus

Montag, 7. Februar

Mehr Demokratie wagen

No-1-Hits März

Populärer als Jesus

Sonnabend, 9. März

Der Tintenfisch

Die genitale Persönlichkeit

Die neuen Mutanten

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger

No-1-Hits April

Schwarzmalerei

Beschreibungsimpotenz

Mittwoch, 27. April

LSD-Astronauten

No-1-Hits Mai

Gut geschulte Gorillakämpfer

Montag, 2. Mai

Musik für Hunde

Judas

Wal, da bläst er

No-1-Hits Juni

Unkultiviert

Ihr inneren Emigranten

Langhaarig, trinkfest, schmuddelig

Konkrete Musik aus Liverpool

Man muss das hören

Donnerstag, 30. Juni

No-1-Hits Juli

Rauchzeichen

Freitag, 15. Juli

Im Kino

Das dritte Tor

Tarantula

No-1-Hits August

Dienstag, 2. August

Vom Beat der frühen Jahre weit entfernt

Klactoveedsedsteen

Auf der Suche nach dem Landeplatz

Der unüberwindliche Elan revolutionärer Volksmassen

Satte Bräune

No-1-Hits September

Donnerstag, 1. September

Turn on, tune in, drop out

No mark!

Dann sprechen die Lichtkanonen

Aufregender als ein Bajonett

Er ist tot, Jim!

No-1-Hits Oktober

Beat und Prosa

Schwarze Selbstverteidigung

Freitag, 28. Oktober

No-1-Hits November

Eine große gesunde rumänische Jüdin

Das psychedelische Erlebnis

Dr. Strangelove existiert wirklich

Freitag, 11. November

No-1-Hits Dezember

Der Forellenfischer

Den Hals gebrochen

Ein Professor versteht die Welt nicht mehr

Was es heißt, zu fotografieren

UFO presents Nite Tripper

Sonnabend, 24. Dezember

Brüderchen

1966 veränderte sich die Welt im Wochenrhythmus.
JOE BOYD

Das 1966-Gefühl The Who überschlagen im Herbst 1966 die bisherigen Aufnahmen zu ihrem zweiten Album und kommen dabei bloß auf 25 Minuten. Das ist zu wenig. Ein Longplayer muss mehr als eine halbe Stunde Spielzeit haben. Also fordert Kit Lambert, ihr Manager und Produzent, Pete Townshend auf, einen zehnminütigen Song zu schreiben, um das Album abzuschließen. Als der einwendet, Popsongs würden nur zwei oder drei Minuten dauern, meint Lambert: »Dann nimm mehrere Popsongs und verbinde sie miteinander!«

Townshend macht genau das. So entsteht mit »A Quick One (While He’s Away)« eine stilistisch abwechslungsreiche, komödiantische Suite, die als vermutlich erste Rockoper (na ja, mit 9:10 Minuten zumindest als eine Bonsai-Version davon) in die Geschichte eingeht und auf spätere Schandtaten der Band vorausweist.

Hier ist etwas passiert. Ein Musikproduzent rät seinem Künstler, die Grenzen des Genres zu sprengen und sich etwas ganz und gar Radiountaugliches auszudenken. Vermutlich mit vollem kommerziellen Kalkül. Pop darf mittlerweile also anspruchsvoll sein, den Hörer fordern, ihn möglicherweise sogar überfordern, ohne dass dies ein kommerzielles Ausschlusskriterium wäre. Pop wird zu Rock. Ausgestattet mit allen Insignien der Kunst. Entsprechend löst das Album die Single ab. Die aufwendig produzierten, soundverliebten Referenzwerke »Aftermath«, das mit seinem über elfminütigen Blues-Jam auch die quantitativen Dimensionen sprengt, »Pet Sounds« und »Revolver« haben mit ihrem enormen symbolischen wie monetären Erfolg eine Prätention formuliert, die bald zum Anforderungsprofil gehört. Wenn schon ein Produzent seinen Künstler zu größerer Komplexität ermutigt, wie es Kit Lambert tut, dann ist dieser ästhetische Konsolidierungsprozess schon ziemlich weit gediehen.

Mit der Aufwertung der populären Musik zur Kunstform steigt das Selbstbewusstsein der Musiker – beziehungsweise bedingt das eine das andere. Sie eignen sich im Wortsinn die Produktionsmittel an. Noch sind sie keine Studiobesitzer, wie Jimi Hendrix ein paar Jahre später, aber sie haben plötzlich weitaus mehr Mitbestimmungsrecht oder tragen sogar wie im Fall von Brian Wilson die Hauptverantwortung für die Produktion.

Dieser enorme Emanzipationsschub wird begünstigt von der langsamen Formierung einer jugendlichen Gegenkultur mit durchaus politischen, revolutionären Ambitionen, die sich Rock als Leitmedium für sich erwählt. Nicht nur in der sich konstituierenden San-Francisco-Szene verschmelzen Politik und Leben miteinander, unter dem Einfluss der Droge. Und die Musik entwickelt sich zu ihrer wichtigsten Integrations-, Motivations- und Selbstverständigungsinstanz. Dass populäre Musik nicht mehr nur zur Unterhaltung dient, sondern gesellschaftliche Relevanz beanspruchen darf und alsbald auch muss, um satisfaktionsfähig zu sein – man findet in diesem Jahr zumindest einige Gründungsdokumente dieser Entwicklung.

1966 ist das Jahr, in dem die Welt ihr Bewusstsein erweiterte. Noch sind es nur Gedankenspiele, denen sich Einzelne oder auch kleinere Gruppen hingeben. Halluzinationen, Wachträume, Imaginationen. Mitunter auch schon Laborversuche, Proben im Simulationsraum der Kunst oder sogar kleinere Feldstudien. Noch fehlt jedoch die kritische Masse, die eine Kettenreaktion auslösen könnte, in deren Folge eine fixe Idee sich expansiv verbreitet und schließlich auf gesellschaftlicher Ebene Raum beansprucht, oder sogar das Kollektiv in Form einer Mode, Strömung, eines Zeitgeistparadigmas mitreißt und prägt.

Aber die Weichenstellungen, die in diesem Jahr stattfinden, und die Veränderungen und Grenzverschiebungen, die sich hier bereits ankündigen, sind so vielfältig und durchgreifend, dass man sich 1966 als so eine Art ideelle Keimzelle vorstellen kann für das, was sich dann im tatsächlichen Epochendatum 1968 ff. verdichtet. Für jemanden, der ein Buch über 1966 schreibt, ist das eine ziemlich verlockende Vorstellung.

Die man aus verschiedenen Gründen auch in Zweifel ziehen darf.

Zum einen ist sie tautologisch. Eine historische Entwicklung tritt ja nur ein, wenn es Ursachen dafür gibt, die diese Entwicklung eintreten lassen. Insofern wird sich ein historischer Wandel immer durch diverse Manifeste, Happenings, Signalfeuerwerke oder was auch immer ankündigen, sonst wäre die Geschichte einfach anders verlaufen. Folglich wird man wohl zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn man sich die Jahre 1967 bzw. 1965, 1964 etc. anschaut. Alleweil wird auf die eine oder andere Weise die Saat ausgestreut, die dann 1968 ff. endlich aufgeht.

Zum anderen ist sowieso immer auch selektive Wahrnehmung im Spiel. Man sieht, was man sehen will, und im Vormärz einer Bewusstseinsrevolution will man eben vor allem die Anzeichen sehen.

Nun, wer zu viele Skrupel hat, fängt gar nicht erst an. Deshalb habe ich diesen Versuch, aus 1966 ein Jahr der Anfänge zu machen, auch eher als intellektuelles Spiel begriffen. Es geht darum, Zusammenhänge, Beziehungen, Entwicklungen zu beschreiben oder, wenn das nicht reichte, zu beschwören. Das Urteil über die jeweilige Plausibilität darf ich getrost dem Betrachter überlassen.

Nun sehen die Anfänge in Los Angeles und San Francisco anders aus als in London, Berlin, Hannover oder gar Leipzig. Um das Neben- und Durcheinander dieses Jahres in seiner ganzen Heterogenität abbilden zu können, musste die Erzählstruktur sich dem Gegenstand unterordnen, das heißt, Stringenz und Geschlossenheit zugunsten einer kaleidoskopischen oder, vielleicht besser, Mandala-artigen Darstellung aufgeben.

Auch in diesem kulturhistorischen Wimmelbild fallen jedoch Kohärenzen und Gemeinsamkeiten auf. Erstaunlicherweise findet man hier wie dort subkulturelle Gruppenbildungen, die mit einem gewissen Selbstbewusstsein auftreten und nicht zuletzt mit der glücklichen Gewissheit, in Zeiten des Auf- und Umbruchs zu leben. Es gibt tatsächlich so eine Art 1966-Gefühl.

Das wird sogar in den bildungsbürgerlichen Kreisen, wenn auch hier eher defensiv und skeptisch, formuliert. Zwei Filme aus diesem Jahr mögen dies belegen. »Schonzeit für Füchse« von Peter Schamoni versteht sich als analytisch-kritisches Zeitporträt mit einer gewissen dokumentarischen Attitüde. Ein einigermaßen typisches Beispiel des »Neuen Deutschen Films«, ein Gegenentwurf zu »Opas Kino« mithin, ganz auf der Linie des Oberhausener Manifests, zu dessen Unterzeichnern Schamoni gehörte.

Der Held, ein junger Journalist, dessen Namen wir nicht erfahren, ein intellektueller Jedermann also, ist unzufrieden mit sich und der Welt. »Du bist ein bisschen negativ geworden«, kommentiert das seine Ex. Mit seinem Freund Viktor, Sohn aus reichem Elternhaus, pflegt er einen anständigen Welt- und Menschenhass, aber alles im Rahmen des gesellschaftlich Vertretbaren. Sie lassen sich regelmäßig als Treiber für die Jagdgesellschaft von Viktors Vater anstellen, und die steht ein bisschen auch pars pro toto für die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft. Der Film entlarvt das unglaublich trantütig-reaktionäre Jägermilieu, aber der Widerstand der beiden erschöpft sich in ironisch-versnobter Lethargie. Sie wollen nicht werden »wie die Alten«, aber wie sie werden wollen, wissen sie auch nicht, und passen sich deshalb an, klappern ihre »schlechte Laune in die Schreibmaschine«, wie Viktor seinem Freund desillusioniert vorhält. Er wandert schließlich nach Australien aus, um dort eine etwas aufregendere Version vom Leben seines Vaters zu beginnen.

Der Grundtenor dieses Films ähnelt in auffälliger Weise Michelangelo Antonionis »Blow Up«. Auch hier äußert sich fast durchgängig ein gepflegt-dekadenter Wohlstands-Ennui. Die Geschäfte laufen wie geschmiert, aber da muss doch noch mehr sein? Weil die handelnden Personen dem mondänen Mode- und Künstlermilieu angehören, spielen hier Drogen eine gewisse Rolle, die den Figuren zumindest zeitweilige »Schonzeiten« gewähren. Aber ähnlich wie sein junger deutscher Regiekollege inszeniert Antonioni eine existenzielle Unzufriedenheit. Eine Leere, die mit irgendetwas zu füllen wäre. Nur womit, ist noch nicht klar.

Während also das Bildungsbürgertum noch die schwer erträgliche Ruhe vor dem Sturm skizziert, werden die Subkulturen bereits nervös, in voller Vorfreude auf das Kommende. Beides sind Symptome für einen Zeitenwandel. Und in »Blow Up« wird der zumindest symbolisch bereits vorweggenommen. In der bekannten Konzertszene steht die Menge zunächst apathisch herum, aber als Jeff Beck mit seiner Gitarre plötzlich Gewalt sät, lässt sie sich mitreißen. Eine Gesellschaft in Aufruhr. Zumindest im Film klappt das bereits ganz gut.

No-1-Hits Januar

Deutschland

The Rolling Stones: Get Off Of My Cloud (1.1.–14.1.)
Drafi Deutscher: Marmor, Stein und Eisen bricht (15.1.–31.1.)

England

The Spencer Davis Group: Keep On Running (1.1.–20.1.)
The Overlanders: Michelle (21.1.–27.1.)
Nancy Sinatra: These Boots Are Made for Walkin’ (28.1.–17.2.)

USA

Simon &Garfunkel: The Sound Of Silence (1.1.–7.1.)
The Beatles: We Can Work It Out (8.1.–21.1.)
Simon &Garfunkel: The Sound Of Silence (22.1.–28.1.)
The Beatles: We Can Work It Out (29.1.–4.2.)

Woolworth für Acid Heads Die Brüder Ron und Jay Thelin kennen die Wäscherei an der Ecke Haight und Ashbury Street gut. Sie sind hier aufgewachsen und ihr Vater leitet das Woolworth-Kaufhaus auf der anderen Straßenseite. Im Jahr zuvor haben sie erstmals einen mit Acid beträufelten Zuckerwürfel vom Szenechemiker Owsley Stanley III gelutscht, seitdem haben sie den Wunsch, allen davon zu erzählen. Und noch mehr als das. Der psychedelischen Revolution zum Sieg zu verhelfen. Denn eins ist ihnen aufgegangen beim Lutschen: Wenn man die Menschen schon nicht mit Vernunftgründen davon überzeugen kann, dass Kriege sinnlos sind, dann hilft nur noch das LSD-Sakrament.

Die Marketender-Mentalität des Vaters steckt ihnen aber ebenfalls in den Genen. Also kratzen Ron und Jay ihre Ersparnisse zusammen und mieten die mittlerweile leer stehende Wäscherei, Haight Street 1535, um dort am 3. Januar 1966 den Psychedelic Shop zu eröffnen. Gewissermaßen das Woolworth für Acid Heads.

Die Wände sind mit Leinentüchern und Kunsthandwerk behängt. Es riecht gut. Und die Produktpalette der Gebrüder Thelin ist recht breit gefächert. Zigarettenpapier, freaky Kleidung, Tücher, Glocken, Glasperlen und Accessoires, Flöten, Poster, Schallplatten, kleine Zangen zum Halten von Joint-Kippen, Fanzines und Bücher über Drogen, Bewusstseinserweiterung, orientalische Weisheitslehren – sie haben alles, was der Hippie zur täglichen Feier des Lebens eben so benötigt. Hier bekommt man auch die Karten für die Happenings im Fillmore Auditorium und im Avalon Ballroom.

Der Psychedelic Shop ist viel mehr als ein Laden – er ist eine Mischung aus Kulturzentrum, Informationszentrale, Beratungsstelle und Kreativspielplatz. Und bald nachdem er geöffnet hat, ändert sich auch das Gesicht der Straße. Die billigen Mieten sprechen sich herum. Das sich prächtig entwickelnde Hippie-Business siedelt sich in der Nachbarschaft an. Der Klamottenladen In Gear etwa, Wild Colors, ein Geschäft, in dem lokale Kunsthandwerker ihre Töpfereien und Makramee-Eulen feilbieten, Xanadu, ein Lederfachgeschäft, die Mnasidika Boutique, der I / Thou Coffee Shop. Love Burgers gibt es auch bald und das »San Francisco Oracle«, die Underground-Zeitung der Stadt. Das Viertel entwickelt eine ganz neue, ganz originäre Infrastruktur. In einem Tempo, das man den kommerzverachtenden Weltverbesserern nicht unbedingt zugetraut hätte.

Der Starkstrombrause-Trip Seit November 1965 schon kurven Ken Kesey und seine Hippie-Gang Merry Pranksters durch Kalifornien und Oregon, um den »squares« zu zeigen, was ein Haufen durchgeknallter Säureköpfe ist. Neal Cassady alias Dean Moriarty, der hyperaktive Held aus Kerouacs Beat-Bibel »On the Road«, findet sich ein und sofort seine Rolle als nimmermüder, rastloser Lenker von »Furthur« (!), dem umgebauten Schulbus, ihrem fahrenden Hauptquartier und mit allerlei audiovisuellem Freak-Schnickschnack aufgerüsteten Propagandazentrum. Denn die Pranksters haben eine Mission – sie wollen die Gesellschaft mit LSD erleuchten oder doch wenigstens ein bisschen aufmischen. Eine Band gibt es auch: The Warlocks liefern den Soundtrack zum Schlangentanz, in ein paar Wochen heißen sie Grateful Dead.

Acid Tests nennen die Merry Pranksters ihre schrillen öffentlichen Happenings, man kann auch ruhig Orgien dazu sagen, auf die nicht nur die Menschen in der Provinz mit Verstörung, Unverständnis und latenter Gewalttätigkeit reagieren. Selbst Acid-Apologeten wie Timothy Leary, Richard Alpert oder Owsley Stanley III, der als talentierter LSD-Koch für den nie versiegenden Nachschub sorgt, ist das zu viel Aufmerksamkeit. Noch haben die Behörden zwar keine Handhabe, das Gesetz, das LSD verbietet, muss erst noch verabschiedet werden, aber die Strafen für ein paar Gramm Marihuana sind drakonisch. Und man hat die Szene im Visier.

»Die Acid Tests waren einer jener seltenen Verstöße gegen die guten Sitten, einer jener Skandale, die einen neuen Stil oder gar eine neue Weltanschauung begründen. Alle tun aufgeregt gackernd ihre Besorgnis kund, knirschen wutschnaubend mit den Zähnen ob so viel schlechten Geschmacks – Unmoral! Vulgarität! Unverschämtheit! Unreife! Wahnsinn! Grausamkeit! Verantwortungslosigkeit! Rosstäuscherei! – und steigern sich dramatisch geifernd in eine solche Aufregung, dass sie die Geschichte nicht mehr loswerden. Sie wird zur perfekten Obsession«, schwärmt Tom Wolfe in seiner Mammutreportage »The Electric Kool-Aid Acid Test«, für die er Kesey und seine Mannen monatelang begleitet hat. Wolfe ist der kongeniale Biograf der »neuen Bewegung«. Er legt zwar zunächst noch Wert auf eine gewisse Distanz, gibt sich schon auf den ersten Seiten als Ostküsten-Dandy zu erkennen, den man »in der Welt der Heads« wegen seines »blauen Seidenblazers, einer überbreiten Krawatte voller Clowns und eines Paars … schwarzer … glänzender … Halbschuhe« eher milde belächelt, aber er wird immer mehr mit hineingezogen in diesen Irrwitz. Und auch seine Sprache, die zunächst noch um eine gewisse objektive Beschreibungsakkuratesse bemüht ist, geht bald mit auf den Starkstrombrause-Trip, wird ein Teil dieses Dauerdeliriums. Was dieses Buch leistet, ist nicht weniger als eine wohlwollende, aber letztlich ungeklitterte Innenansicht der frühen Hippiekultur mit all ihren Ritualen, Ideologemen und Phrasen, ihren halben Wahrheiten und Lebenslügen, den heute kaum noch fassbaren Freiheiten und vielfältigen Möglichkeiten, sich auszuprobieren.

»Die Acid Tests waren der epochemachende Markstein des psychedelischen Stils und praktisch all dessen, was man damit verbindet. Das soll nicht nur heißen, dass die Pranksters die Ersten waren, sondern darüber hinaus auch, dass sich alles Weitere in einer direkten Linie aus den Acid Tests ableiten lässt«, konstatiert er. Nicht zuletzt das große Ding der Stunde, das Mixed-Media-Konzept, sei »schnurgerade aus der bei Acid Tests üblichen Kombination von Licht- und Filmprojektionen, Stroboskopen, Bändern, Schwarzlicht und Rock ’n’ Roll« hervorgegangen. »Sogar Details wie die psychedelische Plakatkunst mit ihren Quasi-Jugendstilkringeln in Schrift und Design, ihren vibrierenden Farben, den Elektropastelltönen, dem spektralen DayGlo-Farbenspiel, das alles kam aus den Acid Tests.«

Ein bisschen vollmundig ist das allemal, es gibt schließlich auch in London und an der Ostküste Künstler, die auf Lysergsäure Kunst produzieren und die eingeübten Formate und Präsentationsformen transzendieren. Aber die Merry Pranksters mit ihrer Entourage sind schon sehr früh. Und ihre Überzeugungsarbeit trägt langsam Früchte. Im Januar des Jahres wird aus dem übersichtlichen Underground-Spaß erstmals ein Massenspektakel – das Trips-Festival.

Schon am 8. Januar 1966 findet im Fillmore, San Francisco, ein bunter LSD-Abend statt, der ein paar hundert Menschen anlockt und den die Polizei nur mit Mühe auflösen kann, weil sie nicht recht weiß, wo sie anfangen soll in diesem Durcheinander. Beinahe kommt es auch zum Eklat, als Pranksters-Vize Ken Babbs nicht weiß wohin mit seiner Virilität und sich den Uni(n)formierten in den Weg stellt.

Stewart Brand, ein Szene-Aktivist und Gründer der Organisation »America needs Indians«, der bald mit dem »Whole Earth Catalog« eine der essenziellen Publikationen zur Selbstverständigung der jungen Counterculture herausgeben wird, und der befreundete Künstler Ramon Sender planen etwas noch Größeres. Eine mehrtägige Messe, die einen Querschnitt der aktuellen Acid-Kultur zeigen soll. »Die Dinge haben sich geändert«, heißt es in ihrer Pressemeldung, »aus Feierlichkeiten in kleinen, sich selbst genügenden Gruppen sind nunmehr große Happenings geworden, bei denen das gesamte Publikum mitwirkt. Das gemeinsame Tanzen aller Anwesenden ist ein Teil der Darbietungen, und alle, die kommen, sind aufgerufen, sich so ekstatisch wie möglich zu kleiden und selbst Instrumente mitzubringen (Anschlüsse für Elektronikinstrumente sind vorhanden).«

Um die Behörden einzulullen, gibt man sich betont abstinent. Eine »psychedelische Erfahrung ohne Drogen« sei das Ziel, eine bloße Simulation des Trips also, allein mit einer opulenten Light-Show, Film- und Overheadprojektoren, Livemusik, absurden Verkleidungen und nicht zuletzt viel Gruppendynamik.

Ken Kesey wird ins Boot geholt. Und schließlich, als allen die Sache über den Kopf zu wachsen droht, auch Bill Graham, der noch der Agitprop-Theatertruppe San Francisco Mime Troupe angehört, aber gerade dabei ist, als Veranstalter zu reüssieren, und sich mit Benefiz-Partys im Fillmore auch bereits einen Namen gemacht hat.

Das dreitägige Freakout-Wochenende, vom 21. bis 23. Januar, findet in der Longshoremen’s Hall, San Francisco, statt. Kurz zuvor wird Kesey zum wiederholten Mal mit Marihuana geschnappt und vor Gericht gestellt, eine dreijährige Haftstrafe droht. Das alles ist zusätzliche Werbung für das Festival. Die Halle platzt dann auch aus allen Nähten, 1700 Besucher fasst sie für gewöhnlich, an jedem der Abende kommt mindestens die doppelte Zahl. Und wenn die Merry Pranksters mit von der Partie sind, wird hier natürlich nicht nur ein Trip simuliert. Owsley hat einmal mehr die Spendierhosen an und versorgt die Gemeinde großzügig, und so schwebt die ganze Bagage bald gut anderthalb Meter über der Erde.

Bis auf Bill Graham, der sich nur wundern kann. »Bisher hatte ich noch nicht die ganze Gewalt von dieser Acid-Geschichte erlebt«, erinnert er sich später. »An diesem Abend war es dann soweit. Sie hätten den Leuten genausogut Handgranaten anbieten können. Woher wollten sie wissen, was für einen Schaden dieses LSD-Schrapnell anrichten würde, wenn es im Körper explodiert? Es gab Eis mit LSD gespickt. Auch die Kinder konnten sich davon bedienen.«

Und so läuft Graham herum mit seinem Veranstalter-Klemmbrett und versucht, für den geregelten Ablauf des Abends zu sorgen, aber dafür ist es längst zu spät. Kesey, Babbs und die anderen Pranksters lachen sich kaputt über ihn. Der Running Gag des Abends: »Wer ist eigentlich das Arschloch mit dem Klemmbrett?«

»Tatsache ist, dass die Heads, die zu Hunderten hereingeströmt kommen, bis über die Kalebasse zugeknallt sind; Hunderte von LSD-Freaks, die zum ersten Mal völlig ungeniert total verstrahlt in der Öffentlichkeit auftreten«, konstatiert Tom Wolfe. Aber die kiebitzende Exekutive habe einfach weiterhin treudoof dem Motto des Abends geglaubt. »Na, was soll’s, die Kids machen sich eben halt ein LSD-Erlebnis ohne LSD, was ist schon dabei, und so was sieht eben so aus. Ein ausgerasteter bullenmächtiger Malstrom! Das ist doch nett. Filmprojektionen und Scheinwerfer wischen durch den Saal; fünf Projektoren sind am Laufen und weiß Gott wie viele Lichtorgeln; Interferometer; intergalaktische Science-Fiction-Ozeane über sämtliche Wände geklatscht; Lautsprecher spicken die Wände ringsum wie lodernde Armleuchter, Stroboskope explodieren, Schwarzlichtlampen mit DayGlo-Objekten darunter und DayGlo-Farben zum Spielen, Verkehrsampeln an jedem der Eingänge blinken abwechselnd rot und gelb;gleich zwei Bands spielen, Grateful Dead und Big Brother and the Holding Company; und rund um das Ganze tanzt eine Horde durchgedrehter Mädchen mit Hundepfeifen.«

In einem Punkt, mindestens, irrt Tom Wolfe. Vielleicht hat er ja auch von dem Eis gekostet? Grateful Dead werden von Kesey zwar auf die Bühne gebeten, aber die dort ebenfalls herumspringende Meute hat Jerry Garcias Gitarre umgeschmissen. Der Steg ist abgerissen. Bill Graham versucht auch das noch zu regeln, krabbelt auf dem Boden herum, sucht die Einzelteile, um sie wieder zusammenzuschrauben. »Wir haben uns fantastisch amüsiert«, meint Jerry Garcia später, »aber gespielt haben wir nicht.« Dafür jedoch Jefferson Airplane, The Charlatans, The Great Society mit Grace Slick, The Loading Zone. Die lokalen Szenebands eben.

Aber Stars gibt es hier sowieso nicht. Das Publikum selbst ist der Star. Eine eklektische Masse, von allem etwas. Vaudeville-Theater, Grand Guignol, Science-Fiction, Zirkus, Karneval in Rio. Kesey hat sich in einen goldenen Raumfahreranzug geworfen, Neal Cassady, als Gorilla verkleidet, jagt seiner Freundin Ann Murphy hinterher. Einer der Pranksters wickelt sich komplett in schwarzes Isolierband ein, ein anderer kommt mit vollem indianischen Kriegsschmuck, einige sind bald ganz nackt. Von einem Balkon aus springen Gäste auf eine Art Sprungtuch und hüpfen dort herum, das »stroboskopische Trampolin«.

Genau in der Mitte der Halle steht der Kontrollturm der Merry Pranksters, Soundtüftler Ken Babbs hat einen Moog-Synthesizer, Amps und sechzehn Lautsprecher ein Gerüst hochgewuchtet. »Ich war immer der Mr.-Tausend-Hertz, sowas Ähnliches wie ein Conférencier. Ich bin zu dem Mikrofon da oben raufgeklettert und hab irgendwas erzählt, und wir konnten meine Stimme im ganzen Saal herumschicken«, erinnert sich Babbs im Gespräch mit Robert Greenfield. »Kesey hatte sein Ding mehr an der Seite. Von da aus konnte er auch in ein Mikrofon sprechen, hatte aber außerdem noch einen Projektor, mit dem er handschriftliche Kommentare auf die große Leinwand hinter der Band werfen konnte. Er hat da also gesessen und eine Menge Zeug geschrieben, was ihm gerade so einfiel. Und wir haben uns hin und her unterhalten. Dabei haben sich die Sachen dann ziemlich vermischt.«

Charles Perry bezeichnet das Festival in seiner Hippie-Historie »The Haight-Ashbury« später als »McLuhanite Global Village / electronic art happening«. Für Jerry Garcia ist es aber vor allem ein großes »Veteranentreffen«. »Ich habe wirklich alle Leute wiedergetroffen, die ich jemals irgendwo kennengelernt hatte. Jeden Beatnik, jeden Hippie, die ganzen Typen, die quer durch Kalifornien in den Cafés rumgehangen haben. Alle waren da. Und alle sind schwer auf dem psychedelischen Trip.«

Alle, aber so gut wie keine Schwarzen.

Die urbane weiße Acid-Szene, »die bisher nur auf einer verschwiegenen Zelle-an-Zelle-Ebene existiert hatte«, noch einmal Tom Wolfe, feiert hier ihre erste spektakuläre Zusammenkunft und ist selbst »über die Maßen erstaunt, wie stark ihre eigenen Reihen inzwischen geworden waren – und sie freuten sich irre über den Umstand, dass sie einfach so an die Öffentlichkeit kommen konnten, high wie die Koalas, ohne dass ihnen der Himmel oder das Gesetz auf den Kopf fiel«. Sie gehen gestärkt und voller Selbstvertrauen aus diesem Wochenende hervor. Die Haight-Ashbury-Ära nimmt hier ihren Anfang.

Aber es ist wie immer auch nicht alles bloß Love &Peace an diesen drei Tagen. Die Hells Angels haben sich ebenfalls eingefunden und müssen anderen Motorradrockern beweisen, dass sie die Platzhirsche sind. Verschiedentlich setzt es Dresche, angeblich weil nicht ganz satisfaktionsfähige Clubs Sonny Barger und seine Männer provoziert hätten. Es gehören bekanntlich immer zwei dazu.

Und von Anfang an zeigt sich hier auch, dass sich eine Menge Geld mit der neuen, bald gar nicht mehr so untergründigen Subkultur verdienen lässt. Auch wenn die wahren Hippie-Aktivisten ein schlechtes Gewissen dabei haben. Die Merry Pranksters lassen immer wieder Freunde, Bekannte und schließlich egal wen durch die Hintertür ein, zum großen Ärger des Arschlochs mit dem Klemmbrett. »Mach dir da keine Sorgen drum, Bill. Es ist schon Geld in der Kasse«, will ihm Ken Babbs zugerufen haben. »Er hat mich angeschaut, als ob ich verrückt wäre.«

»Er wollte den Leuten, die an diesem Abend gekommen waren, jeden Cent aus der Tasche ziehen«, erinnert sich auch Ken Kesey. »Und dabei gab es da haufenweise Leute, die irgendwie zum Acid Test gehört haben und deshalb nicht dafür zu zahlen brauchten. Sie haben einfach dazugehört. Er hat sich selbst zuzuschreiben, was aus seinem ›Nein, nein, alle müssen zahlen‹ geworden ist. Seit damals hatte er nämlich seinen Ruf weg. Und damit mußte er sich lange Jahre herumplagen. Bis er sich schließlich dazu entschlossen hat, dieses Kreuz nicht weiter zu schleppen, sondern daran hochzuklettern und von da oben aus zu regieren.«

Bald darauf mietet Bill Graham denn auch das Fillmore Auditorium und steigt dank seines Geschäftssinns, einer geradezu unhippiesken Skrupellosigkeit und Ausgeschlafenheit zum Veranstaltungs-Impresario der San-Francisco-Szene auf.

Explodierende Plastikwelt Lou Reed ist von Haus aus Dichter. In Greenwich Village findet er den Stoff, der seiner an Verlaine und Baudelaire geschulten Schmuddelpoesie Erdung verleiht, und hier lernt er auch, im Zusammenspiel mit seinem Mitbewohner John Cale, dass sich die Suggestionskraft eines Gedichts mit ein paar lauten Gitarrenriffs und einem monotonen Beat im Rücken durchaus steigern lässt, vor allem wenn man dazu auch noch Dias oder Filme zeigt. Mit ihrer Band Velvet Underground bringen sie eine solche Mixed-Media-Performance erstmals auf die Bühne. »Das war vor Andy«, darauf besteht ihr Bassist Sterling Morrison. »Wir sind mit sowas die Ersten gewesen, noch vor Ken Kesey oder sonst wem.«

Aber Andy – Warhol nämlich – verleiht dem Projekt dann ein gewisses Format. Am 13. Januar treten sie zum ersten Mal gemeinsam auf. Im Delmonico’s Hotel, Park Avenue. Warhol soll die New York Society for Clinical Psychiatry bei ihrem jährlichen Festbankett mit einer Rede erfreuen, stattdessen mischt er den Laden mächtig auf. Er lässt Velvet Underground losdröhnen, zeigt eigene Filmexperimente, Factory-Hofdichter Gerard Malanga schwingt die Bullenpeitsche, seine damalige »Muse« Edie Sedgwick versucht sich an einem Ausdruckstanz, und zu allem Überfluss mischen sich die beiden Filmemacher Jonas Mekas und Barbara Rubin unters Publikum und befragen die entsprechend konsternierten Wissenschaftler nach ihren sexuellen Präferenzen. Es endet im Eklat. »Psychiater ergreifen vor Warhol die Flucht«, titelt die »International Herald Tribune« am nächsten Tag. Ein ziemlich verheißungsvoller Auftakt, der beide Seiten von der Notwendigkeit einer weiteren Kollaboration überzeugt haben muss.

Bereits im April treten sie erneut zusammen auf, im Dom am St. Markus Place. Unter dem Titel The Exploding Plastic Inevitable hat man mittlerweile eine abendfüllende Show ausgearbeitet. Malanga schwingt weiterhin die Peitsche, es gibt Filme, Dias, man hat Tänzer engagiert. Und der von der Minimal Music des Free Jazzers La Monte Young inspirierte, mit Disharmonien und Verzerrungen experimentierende Proto-Punk-Sound von Velvet Underground liefert den Score. Auf Geheiß Warhols werden sie jetzt gesanglich unterstützt vom Factory-Superstar Nico als sinistrer deutscher Venus. Andy Warhol steht am Rand, unbemerkt, und spielt den diabolischen Zeremonienmeister, vor allem aber drückt er dem Ganzen seinen Stempel auf, er verleiht diesem elektrifizierten Vaudeville-Theater die Weihen der Kunst. »Der Filmemacher wurde hier zum Dirigenten«, schwärmt Mekas, der von Warhol eingesetzt wird, um die Interpretation und damit ästhetische Legitimation nachzureichen, »er hatte nicht nur alle verschiedenen kreativen Möglichkeiten zur Verfügung – wie den Tonregler, die Rock-Band, Dia- und Filmprojektionen –, sondern auch alle extremen Persönlichkeiten der Mitarbeiter. Er bildete Strukturen mit Temperamenten, Egos und Persönlichkeiten. Warhol übertrug alles in Ton-, Bild- und Lichtsymphonien.«

Es gibt kaum Bilder von diesen Shows, aber wenn man den Zeitgenossen glauben darf, muss es ziemlich beeindruckend gewesen sein. »Die Rock ’n’ Roll-Musik wird lauter, die Tänzer bewegen sich wilder und die Lichter fangen an zu flackern, aus, an, aus, an, wie verrückt«, schreibt George English in »Fire Island News«. Man merkt sein Bemühen, den Eindrücken sprachlich gerecht zu werden. »Die Scheinwerfer strahlen einem in die Augen, die Autohupen tuten, und Gerard Malanga und die Tänzer schütteln und verrenken sich wie Verrückte, und man glaubt nicht mehr, dass der Lärm noch zunehmen könnte, und dann tut er’s doch, bis es nur eine einzige riesige rhythmische Woge aus Geräusch gibt, die sich über einen wälzt, einem gerade noch so viel Luft lässt, dass man den Beat mitkriegt; die Zuhörer, die Tänzer, die Musik und die Filme, all das zusammengeschaltet für den einen glorreichen Augenblick der Hysterie.«

Einen Monat lang spielen sie im New Yorker Dom, danach geht es zusammen auf Nordamerika-Tour. Ende Juni sind sie für eine Woche im Poor Richard’s in Chicago gebucht. Ihr Engagement wird sogar noch um eine weitere Woche verlängert. Michaela William berichtet für die »Chicago Daily News« vom ersten Abend, und ihr Artikel »Warhols Brutal-Assemblage, eine Nonstop-Horror-Show« fängt die dunkle Faszination, die von der Show ausgeht, ganz gut ein. »Er hat in der Tat das totale Environment zusammengebracht, aber es ist eine Ansammlung von Dingen, die geradezu vibriert vor Bedrohlichkeit, Zynismus und Perversion. Sie kennenzulernen heißt, der Brutalität ausgeliefert zu werden, hilflos – man erlebt jede Art von Horror, die man sich vorstellen will, vom Polizeistaat bis zum Irrenhaus. Das Gedröhne in den Ohren hört irgendwann auf. Aber was soll man mit dem anfangen, was einem auch dann immer noch im Gehirn dröhnt?«