image

Bergsveinn Birgisson

Die Landschaft
hat immer recht

Roman

Aus dem Isländischen übersetzt
von Eleonore Gudmundsson

image

Dieses Buch wurde mit Unterstützung des Icelandic Literature Center gedruckt.

image

© Bergsveinn Birgisson 2003
Die Originalausgabe ist 2003 unter dem Titel »Landslag er aldrei asnalegt« bei Bjartur, Reykjavik, erschienen.

© 2018 Residenz Verlag GmbH
Salzburg – Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

www.residenzverlag.at

Alle Rechte, insbesondere das des auszugsweisen Abdrucks und das der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Thomas Kussin/buero 8
Lektorat: Jessica Beer

ISBN Printausgabe: 9783701716951
ISBN E-Book: 9783701745685

Für Helle

Geirmundarfjörður – Genossenschaft

Hochgeschätzter Herausgeber!

Ich, der Unterzeichnete, Sigursteinn Benónysson, Vorsteher des Bezirks Hneitistaðir, übersende hiermit ein Manuskript, das sich mit dem Leben der Menschen hier im Norden im Geirmundarfjörður beschäftigt.

Das Manuskript haben meine Frau, Sigurlína Þrastardóttir, und ich aus dem Tagebuch des Halldór Benjamínsson erarbeitet. Dessen Vater Benjamín war der Enkel von Bernódus, dem langjährigen und glückvollen Kreisvorsteher hier im Bezirk Hneitistaðir.

Schon seit einiger Zeit hatten wir Wind von Halldórs Schreiberei bekommen. Oft konnte man bis spät in die Nacht Licht am Fenster seines Zimmers im Fischerwohnheim oder am Haus des Lesevereins sehen, in dem er sich oft aufhielt, wenn es stürmisch war und es für die Fischer wenig Aussichten gab, am nächsten Tag hinauszufahren. Es hat sich gezeigt, dass Halldórs Aufzeichnungen eine wertvolle Quelle über das Leben im Geirmundarfjörður darstellen, eines Lebens, das dabei ist, auszutrocknen, und das am Rand des Abgrunds steht.

Auch wenn Halldór flott schreibt, ist er dennoch unfähig zu ordentlicher Orthographie. Ich habe versucht, diese zu verbessern und sein Tagebuch zu kürzen, überdies haben wir Kapitelüberschriften eingefügt, um dem Leser die Lektüre zu erleichtern. Bei der Stellenanzeige »Haushälterin gesucht« habe ich diese Rechtschreibkorrekturen allerdings unterlassen, wodurch ein Bild von Halldórs Tagebuch vor unseren Verbesserungen entsteht.

Zwar ist mir selbst die Erzählkunst nicht in die Wiege gelegt worden, dennoch sah ich mich gezwungen, kurze Textteile dort einzufügen, wo der Zusammenhang fehlte oder der Erzähler mittendrin verstummte. Es ist unsere Hoffnung, dass dadurch ein umfassenderes Bild des Lebens der hiesigen Bevölkerung gegeben wird. Außerdem zitiert Halldór aus den Predigten von Sólmundur Arnarson, unseres Pfarrers im Bezirk Hneitistaðir. Wir haben beschlossen, die Abschlusspredigt von Sólmundur in die Erzählung aufzunehmen, denn irgendwie finden wir, dass sie hierher gehört. [Eingefügte Kapitel haben wir mit eckigen Klammern gekennzeichnet, so wie diesen Satz.]

Die Erzählung der seltsamen Vorgänge rund um das Verschwinden von Dufgus haben wir nirgendwo verändert, wir können nur bezeugen, dass da etwas Wahres dran ist. Soweit man so etwas eben wissen kann.

Jetzt könnte man aus der Geschichte schließen, dass es im Geirmundarfjörður ewig stürmt und bei uns hier eine Wetterhölle herrscht. Aber das stimmt nicht. Die Wahrheit ist, dass bei passableren Wetterlagen, die es zweifellos gibt, die Männer zum Fischen hinausgerudert sind und keine Zeit zum Schreiben hatten.

Nun geben wir uns der Verlockung hin, diese Geschichte zu veröffentlichen, die, wie wir beschlossen haben, den Titel einer Gedichtzeile des seligen Jón von Hneitistaðir tragen soll.

So übergebe ich das Kompendium in vollem Umfang zu Ihren Händen mit besten Wünschen.

Ihr ergebener Sigursteinn Benónysson

Inhalt

ERSTES BUCH

Hier wird vom Wetter und von Dufgus’ Jugend berichtet, Dósi kommt.

Vom Wetter und vom Fischefangen

Davon, als der Philosophiemann ins Dorf kam

Das Begräbnis von Snæfríður und Überlegungen zur nächsten Welt

Ein Kapitel über Frauen

Über Nerzjagd, Karl, den Abenteurer, und die erste Messe des Pfarrers

Über die Seligkeit der Seele und über Seehundspeck

Gusi kommt auf den Pier und erzählt seine Geschichte

Der neue Parlamentsabgeordnete macht seine Aufwartung

Das Kapitel von der Fiaskotour und der Dichter tritt auf

Im Herzen beginnt das Chaos

Hier wird von den ersten Zusammenkünften des Dichters und des Pfarrers erzählt

Über die ungleiche Verteilung des Glücks und über Gott

Die erste Kurzgeschichte

Die Haushälterin kommt

Die Ankündigung

Ein paar Worte über die Zuneigung zur Haushälterin

Die Haushälterin wird befragt, ob sie auf die Tanzparty geht

Der Tag vor der Tanzparty im Dorf

Die Tanzparty im Dorf

Nach dem Fest

Die Haushälterin geht

Ein paar Worte über eine depressive Phase

Der Pfarrer wird heimgesucht und Aufmunterung auf Hneitistaðir

Als Gusi am Sperrwochenende zum Fischen fuhr

Hier wird von der internationalen Promiskuitätskontrolle berichtet

Ein Tag in Gedanken über die Wolken

Kapitel von dem belesenen Mann aus Bolungarvík und dem Pfarrer

Zweite Kurzgeschichte

Kurze Reflexion über das Sexualleben von Seehundweibchen, das Wetter und die Laune

Einkaufstour in die nächste Stadt und Besuch beim Pfarrer

Von der Fischerei und ein Traum

Der Dichter nimmt Abschied

Gusi wird heimgesucht und Fisch für den Kochtopf

Die zweite Messe des Pfarrers

Kurzes Kapitel über den Vorfall

Halldór schreibt über den Handlauf

Über die »Seeadler«

Ein Traum und ein Besuch beim Pfarrer

Halldór geht zum Pfarrer und bittet um ein Gedicht

Erinnerungen an Dufgus Tímóteusarson

Ein Gast kommt aus dem Schneesturm

ZWEITES BUCH

Das neue Tagebuch wird mit Erzählungen aus dem Winter eingeweiht

Die Straße wird nach der Schneeschmelze geöffnet – Dósi kommt

Der Geistermann kommt in den Geirmundarfjörður und versucht, Kontakt aufzunehmen

Ein Traum, Jónmundur wird heimgesucht

Davon, wie die depressive Phase beginnt [Auszug]

Vom Seehasenfang und dem Wetter

Etwas über die Vergänglichkeit der Welt und Wollgras

Die neue Haushälterin kommt

Besuch bei Jónmundur auf Hneitistaðir

Badeausflug mit der neuen Haushälterin

Gedanke am Morgen

Besuch beim Pfarrer

Erneuter Besuch beim Pfarrer

Halldór und Arnheiður fahren zum Picknick

Die letzte Messe des Pfarrers

Traum von seltsamen Menschen

Hilfe gesucht bei den Kollegen

Schafe gefüttert und Leute schauen vorbei

Das Geburtstagsfest und der Zustand verschlimmert sich

Besuch bei Jónmundur, dem Krüppel

Die Fahrt hinein

Zurück im Geirmundarfjörður

Am Morgen vor der Fangtour

Die letzte Fangtour

ERSTES BUCH

Hier wird vom Wetter und von Dufgus’ Jugend berichtet, Dósi kommt.

Das Beste an Unwettertagen wie diesem ist, wenn es in höheren Lagen aus Westen stürmt, wenn die Wolken über den Fjord auf die Bucht hinausrasen und die Sonne ab und zu verdecken, sodass sich da und dort auf dem Land Flecken aus Sonnenlicht entzünden.

Dann ist das Licht nicht so gleichmäßig verteilt wie bei wolkenlosem Wetter. Zwischen den Sonnenphasen muss nicht unbedingt ein Regenguss kommen. Bei geglücktem Westwetter stürzen die Wolken an der Küste von den Bergen, und wenn die Sonne im Mittag steht, verwandelt sich der Sonnenschein in Margarine, die glänzend die Hänge hinunterfließt. Es ist nichts Besonderes an reiner Sonne, und auch ein Vollmond ist noch keine große Schönheit, es sei denn, es schieben sich Wolken davor oder davon weg.

Jetzt stürmte es heftig von Westen, die Wolken waren angerückt und ein Unwetter zog auf. Ich fand, dass sie die Gestalt alter Männer angenommen hätten, die unterwürfig über die Bergspitzen in den Fjord hineinlugten und leise flüsterten. Aber vielleicht war das nur ein Geräusch aus dem Schlachthof.

Ich kam gestern bei Gusi vorbei, aber er war etwas schlapp, wie er mir sagte. Bei diesem Mann darf man das Wort Arzt nicht erwähnen. Nein, der Urheber der Fische kümmert sich um mich, sagte er, und wenn ich einmal nicht mehr schwimmen soll, dann höre ich eben auf zu schwimmen.

Gusi redet immer häufiger vom Urheber der Fische und vergleicht auch die Menschen mit Fischen auf trockenem Land. Wir saßen in der Küche und blickten auf den Fjord hinaus.

Gusi kommt aus einer Zeit, als Weihnachten bedeutete, dass das Kaufmannsschiff eine Kiste Äpfel brachte und alles von Leben erfüllt schien hier weit oben im Norden. Man hat den Eindruck, Gusi sei schon hier, seit Gott seinen Finger in das halb erhärtete Wachs des Landes gedrückt, auf den Fjord gedeutet und gesagt hatte: Hier sei Leben! Jeder Bauernhof an der Küste hatte einen Landungssteg oder ein Bootshaus und einen Schuppen, um Fisch zu verarbeiten und Köder an die Haken zu machen. Gusi hat mir Ruinen davon gezeigt, da und dort, hat auf ein paar Bülten gedeutet und auf verwitterte Planken unten am Meer und gesagt: Von hier sind sie mit zwei Booten hinausgerudert und das waren alles deine Verwandten, und hier waren die Fischerhütten. Hier wohnten sie zu fünfzehnt. Sie waren mit uns allen durch den seligen Friðrik verwandt, deinen Großvater. Die hier hatten eine Kuh und ein paar Schafe. Schau, hier sind immer noch Reste des alten Herds.

Ein paar Männer taten sich zusammen und ruderten bei jedem Wetter auf diesen kleinen Holzschalen hinaus und legten die Hanfleinen aus oder zogen den Fisch mit Haken – zwei große Haken waren auf Eisen befestigt oder auf Holz und unten dran ein Senkblei, und dann wurden Köder angebracht und alles zusammen an Hanfleinen auf und ab bewegt.

Und die Männer hatten nie Proviant mit wegen des Aberglaubens, dass sich der Teufel darüber lustig machen würde, und sie sagten immer Essensberg, wenn sie den Pottberg meinten, weil sie Angst hatten, dass, wenn sie Pott aussprächen, ein Pottwal käme und sie zum Kentern brächte. Ich sehe Gusi vor mir, mit dreizehn Jahren, an einem Ruder sitzend, in dicken Seemannsfäustlingen mit Daumen an beiden Seiten und nichts zu beißen.

Das waren harte Zeiten, mein lieber Halldór, sagt er, der einiges gewohnt ist, wenn es ums Arbeiten geht. Damals standen sie um zwei oder drei in der Nacht auf, wenn die Aussichten gut waren, und zunächst holten sie Köder, die sie vom Lagerhaus im Geirmundarfjörður über Felsen und Pfade am Meer entlang zu den Fischerhütten brachten. Dann wurde bis zum Morgengrauen bei schlechtem Licht angeködert, danach das Boot klargemacht, das Seemannsgebet gesprochen und aus dem Bootshaus gerudert. Gusi versichert, dass er manchmal so müde gewesen sei, dass er einschlief, während er die Leine mit der Hand in die Tiefe ließ, aber erwachte, wenn an irgendeinem Haken ein Fisch angebissen hatte. Manchmal sei er so seekrank gewesen, dass er auf seine angeköderten Leinen erbrochen hätte, er hörte aber dennoch nicht auf, die Leinen auf und ab zu bewegen. Das hat er mir erzählt. Und das Kaufmannsschiff, das den Anker drinnen im Fjord auswarf, kam nicht nur mit Apfelkisten vor Weihnachten.

Einmal, als Gusi jung war, durfte er mit dem Ruderboot mitfahren, das die Waren abholte. In dem Netz, das zum Boot hinuntergelassen wurde, glitzerte etwas Weißes, auf dem das Sonnenlicht tanzte, und diesen gleißend weißen Gegenstand hatte der Kaufmann im Dorf aus Reykjavík geordert. Aber was wollte er mit diesem Teil, das mit nichts im ganzen Bezirk zu vergleichen war? War es vielleicht ein Kunstwerk? Gusi konnte nichts anderes tun, als die anderen zum Kaufmann zu begleiten, um eine Erklärung für den Gegenstand zu erhalten.

Der Kaufmann hatte vor, in das Ding hineinzuscheißen.

Nein, zum Teufel. Scheißen? In etwas aus Glas?, sagte einer von den Alten und schnappte nach Luft, und auch den anderen kam es absurd vor, die Würste in ein so weißes und glänzendes Gefäß abzuseilen. Aber in dem Maß, in dem sich die Klosette im Dorf durchsetzten und die Würste der Menschen in Empfang nahmen, begannen die kleinen Fischersiedlungen zu verschwinden und sich in Grasbülten und verwitterte Planken zu verwandeln.

Dósi ist zu Besuch gekommen und bleibt übers Wochenende. Der Mann war gut ausgestattet mit Whisky und Tabak. Wenn Dósi wieder wegfuhr, war es, als seien Hundert weggefahren, und doch war er nur ein einziges Individuum. In ihm war immer eine gewisse Ungeduld, und wenn es weniger zu fangen gab, begann er gleich davon zu reden, dass er weiter fjordeinwärts wolle. Wir wussten, dass sie weiter drinnen nicht mehr fischten, aber jetzt wollte er dorthin, denn da war auch mehr los: Es gab Kabelfernsehen und es war näher zur Stadt mit ihren Pubs und so weiter.

Ich kann mich an den Tag erinnern, an dem Dósi strandete. Da zog am Abend ein so dichter Nebel auf, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte, und Dósi kam die Hafeneinfahrt falsch herein und fuhr mit seinem Boot gegen die Heljarschäre. Er rief mich, denn er hatte Angst, dem Boot ein Leck zugefügt zu haben, aber Gott sei Dank drang nur wenig Wasser ein. Ich folgte ihm in den Hafen, wo wir das Boot mit dem Kran auf den Kai hinaufzogen. Danach sah es aus, als wendete sich alles im Dorf gegen ihn, und der Mann hielt es hier nicht mehr aus. Das Fernsehen fiel immer wieder aus, oder es gab keinen Strom, und Dósi zog schließlich weiter landeinwärts in den Fjord, er mietete ein großes Einfamilienhaus mit Satellitenschüssel und vielleicht ist er dort glücklicher als wir alle hier zusammen. Wer weiß?

Vom Wetter und vom Fischefangen

Heute brennt ein Sturm aus Nordost, mit Nebelbänken und Regen hier an der Küste, aber weiter drinnen im Fjord ist es heller. Alle an Land. Wir fuhren gestern auf den Hámundarrücken hinaus. Ebbi fing 50 Kilo Heilbutt, und Bensi war in seiner Nähe mit der Langleine und sagte, er hätte ihm den Heilbutt weggezogen. Ansonsten sieht es traurig aus bei den meisten, außer bei Gusi. Er war wieder erstarkt nach seiner Schlappheit und schaffte 800 Kilo in der Bucht außerhalb der Heljarschäre. Zäh. Der Gusi.

Wir spielten hier im Fischerwohnheim, als das Fernsehen ausfiel, und Ebbi erzählte die Geschichte, als er auf dem Saisonfangschiff »Dagrún« Wache schob und sie auf den Buckelwal drauffuhren, der an der Wasseroberfläche schlief. Der Buckelwal erschrak, als ihn das Boot rammte, und schlug böse um sich, nachdem sie vorbeigefahren waren. Bensi kam sofort damit an, dass er sich das nur eingebildet habe. Kalli: Die Geschichte von dem Schweinswal, der ein Weibchen war und ihm seine weiße Unterseite zeigte und begann, sich am Kiel zu reiben. Bensi: Die Geschichte davon, als ein Vieh ihn drei Stunden lang gegen die Strömung auf das Meer hinauszog und sicher ein Riesenkrake war, das sagte ein Seeungeheuerexperte in Reykjavík. Ebbi meinte, es hätte sich an dem Schiffsbauch festgehalten.

Wie diese beiden Brüder, Ebbi und Bensi, also eigentlich Ebeneser und Bernharð, es miteinander aushalten, ist wirklich eines der Weltwunder. Dennoch kann der eine nie ohne den anderen sein, und sie helfen einander sogar, wenn einer in Schwierigkeiten geraten sollte. So wie damals, als der Fischcontainer auf Ebbi schwenkte und seine dicke Brille zerbrach – seither sind die beiden zusammengeschweißt. Ebbi konnte nicht fertig abladen, denn er sieht ohne Brille nicht mal die Hand vor Augen. Da übernahm Bensi und half seinem Bruder. Andererseits könnte man glauben, sie seien eingeschworene Feinde, denn wenn Ebbi Bensi bittet, den Retourgang einzulegen, dann fährt dieser vorwärts. Und wenn Ebbi die Meinung vertritt, der Basstölpel sei ein schöner und majestätischer Vogel, dann weiß Bensi ganz genau, dass es kein Vogelvieh gibt, das widerlicher und hässlicher ist als der Basstölpel. Einmal nahm Bensi den Müllsack mit statt des Beutels mit der Kaffeejause. Bensi warf Ebbi vor, ihm den Müllsack vor die Nase gestellt zu haben, und keifte den ganzen Tag ins Funkgerät, aber Ebbi konnte überhaupt nichts dafür.

Ich sah Bensi zum ersten Mal als Jugendlicher. Als ich mit Gusi hierher zum Fischen kam. Da wurde ich stutzig und fragte mich, warum mir dieser Mann so bekannt vorkam. Ich grübelte eine Weile darüber nach, bis Gusi mir die ganze Wahrheit eröffnete. Sicherlich würde er mich an Bilder von Jón Sigurðsson, dem Freiheitskämpfer, erinnern, denn die beiden glichen einander fast wie ein Ei dem anderen. Als Bensi in früheren Jahren in Reykjavík auf Fangsaison war, nannten ihn die sarkastischen Typen immer den Präsidenten. Und sollten sie die sterblichen Überreste von Jón Sigurðsson aufbewahrt haben und Bensi wäre ein Klon daraus, so würde das viel über unsere neue Zeit aussagen, dass Jón Sigurðsson, der Präsident und Freiheitskämpfer, jetzt Fischer auf seinem Boot im Nördlichen Eismeer ist.

Wenn Ebbi in Reykjavík irgendetwas kauft, ist das für Bensi völliger Schrott, aber am bemerkenswertesten ist dennoch, dass diese Brüder völlig voneinander abhängig sind. Ebbi hat nie den Führerschein gemacht, und Bensi ist der, der fährt, aber Bensi kann nicht einmal Eier kochen und zeigt keine Anstalten, es zu lernen. Deswegen lässt Bensi Ebbi immer zuerst abladen, damit dieser zum Kochen nach Hause gehen kann. Und als Ebbi vorletztes Jahr die Gardinen für das Küchenfenster im Fischerwohnheim kaufte und versuchte, es gemütlich zu machen, da nannte Bensi ihn eine verdammte Tussi, die mit einem Vorhang die Männer daran hinderte, nach dem Wetter zu sehen. Ebbi ist mehr Frau als Bensi. Einmal kaufte er postlagernd das Buch Schiffe und Boote Islands, das viele hundert Bilder beinhaltet. Das sieht er Tag für Tag an und spricht darüber, wie schön dieses oder jenes Boot gebaut sei und wie abartig hässlich andere seien. Ich muss zugeben, dass es mir wichtiger ist, dass Boote auf dem Wasser schwimmen.

Dieselben Geschichten und dasselbe Pfeifen des Windes bei schwerem Wetter aus Nordost.

Davon, als der Philosophiemann ins Dorf kam

Frische Brise aus Osten, heftige Dünung. Kein gutes Wetter zum Leinenfischen. Schaffte gestern eine Tonne in etwa drei Stunden. Fette Fische. Auf dem Weg zurück an Land begann ich darüber nachzudenken, ob mir dieser gute Fang dort an der Selkante nur durch Zufall passiert war. Mir kam vor, ich hätte eine Eingebung gehabt. Irgendetwas steuerte mich dorthin, vielleicht war der gestrige Tag eigentlich völlig geplant. Oder war alles nur Zufall? Und Gusi, Bensi, Kalli und Ebbi, Sigursteinn, der Gemeindevorsteher, und die Frau des Gemeindevorstehers und der Pfarrer und alle wären hier im Geirmundarfjörður aus reinem Zufall, oder war das unser vorbestimmtes Schicksal? Und wer bestimmt darüber? Da kam mir das Netz der Spinne im Warenlager in den Sinn – ob wir nicht wie die Fliegen wären, die sie fängt und in ihrem Gewebe festhält. Genauso hat uns vielleicht jemand in einer Art Schicksalsnetz gefangen und im Geirmundarfjörður festgesetzt.

Aber nein, das haut nicht hin. Wir könnten alle genauso wie Dósi weiter fjordeinwärts fahren, wenn wir nur wollten. Daher können wir wahrscheinlich auch auswählen, aber sehen wir das Spinnennetz überhaupt, in dem wir festsitzen? Vielleicht sieht niemand außer Gott dieses Netz und möglicherweise noch Bensi mit dem großen Feldstecher. Er sieht bis weit ins Land hinein bei gutem Wetter.

Ich kam mir überaus philosophiemännisch vor, als ich das am Abend im Fischerwohnheim vortrug, aber Bensi sagte, das sei keine bedeutende Philosophie, die Menschen mit Fliegen verglich. Ebbi sagte, das würde Bensis Kopf wohl kaum verstehen, denn hier ginge es um Philosophie. Das wäre nämlich ein ziemlich bekannter Begriff hier im Dorf. Philosophie. Ich erinnere mich, dass ich auf einem Stück Treibholz neben dem Kran saß an dem Tag, als der Philosophiemann zu mir nach vorn auf den Pier kam. Er war sicher einer der Touristen, die sich nördlich der Felsnase verirren und nicht langsamer werden, bis sie zu unserer Siedlung kommen, wo die Straße endet. Bensi und Ebbi hatten etwas in ihren Booten zu tun, es war warm und der Westwind wehte. Der Philosophiemann erkundigte sich nach dem Fangglück. Ebbi äußerte wahrheitsgemäß, dass man Seehasen nun mit Netzen fange und dass die Fänge erst gut gewesen seien, dann aber im Verlauf der Saison nachgelassen hätten. Fänge!, erscholl es da vom Boot nebenan und dann stand Bensi vom Motor auf und teilte dem Mann mit, dass man hier nicht einen einzigen Fisch zu Gesicht bekommen hätte, weder einen Seehasen noch einen anderen. Wie steht es um die Brutplätze der Küstenseeschwalben? Nisten hier viele Küstenseeschwalben? Doch, doch. Ebbi sagte, er habe sie selten so dicht brüten gesehen bis hin zu den blanken Steinen. Dieses Jahr gehöre zu den besseren.

Küstenseeschwalbe!, murmelte der andere in den Motor hinein. Hier hat man keine einzige Küstenseeschwalbe gesehen. Hierher seien im Frühling ein paar brutunfähige Vögel gekommen. Die seien jetzt schon alle weggeflogen.

Dann wurde über die Ernsthaftigkeit des Lebens gesprochen und Ebbi fragte, ob der Ankömmling sich in Reykjavík mit Fischfang beschäftigt habe. Der Philosophiemann sagte, er sei noch nie auf See gewesen, er studiere Philosophie und sei dabei, eine Arbeit über irgendeinen Jón Dún Skotus zu verfassen, der darüber geschrieben hätte, ob Gott Gegenstand der Theologie sei oder nicht. Und das sei die Verbindung zu Freud und zu dem, was dieser als Gegenstand der Psychologie bezeichnete, was schließlich zu einem Mann führte, der Kirchengarten heiße und zu dem, was der wiederum über den Gegenstand der Philosophieleute sagte. Ich kann mich erinnern, dass der Pfarrer Freud immer den Herrn Frauð, also Herrn Schaum, nannte, weil er lehrte, dass Menschen voll von schwarzem Schaum seien, der wann auch immer aus ihnen herausplatzen könne.

Der Philosophiemann sagte vieles über diesen Jón Dún, woran ich mich nicht mehr erinnern kann, aber er hatte sich auch auf die Heilige Dreifaltigkeit spezialisiert. Als ich ihn fragte, was die Heilige Dreifaltigkeit denn sei, verzog er das Gesicht und sagte, das sei eine komplizierte Angelegenheit und auf die Schnelle nicht so einfach zu verstehen.

Ein paar andere hatten sich zum Rauchen dazugesellt und einer von ihnen fragte den Philosophiemann, was Philosophie denn eigentlich sei. Tja, sagte der, Philosophie sei zum Beispiel die Mutter aller Wissenschaften.

Und wer ist dann der Vater?, fragte Ebbi.

Was für ein Kind du sein kannst, sagte Bensi, weißt du nicht, dass Wissenschaft und Religion keinen Vater haben, das hat alles der Heilige Geist gezeugt, der kein Geschlecht hat. In diesem Augenblick fuhr der Pfarrer in den Ort ein. Er kam auf seinem alten Ferguson und sagte uns, dass er am Getriebe des Landrovers arbeite. Er hatte Ringe der Schlaflosigkeit unter den Augen, war bekleckert mit Schmieröl und trug seinen blauen Overall. Gusi hatte am Tag davor ein paar mickrige Kabeljaus für ihn eingesackt, zum Trocknenlassen in der Sommerluft.

Wenn man vom Pfarrer spricht, sagte Ebbi, wir haben gerade über die Dinge des Geistes geredet, hier ist ein Philosophiemann aus Reykjavík angekommen!

Ich kann mich erinnern, dass der Pfarrer etwas über die Heiden sagte, die in weiten Gewändern durch Säulengänge schlenderten, sich in halbnacktem Zustand allerhand unnötige Dummheiten ausdächten, wie zum Beispiel diese Kabeljaus hier, sagte er und deutete in Gusis Eimer. Das sind keine Kabeljaus, sagen die Philosophen, sondern Imitationen von Kabeljaus. Das war völliger Schwachsinn, darüber waren sich alle einig.

Nein, da schau her, sagte Ebbi, du wirst doch nicht etwa Imitationen von Kabeljaus mit echtem Seehundfett essen, und dann lachten alle. Bis auf den Philosophiemann. Er erwiderte, dass die Philosophie zumindest nach der Wahrheit suche und sie sich nicht zurechtzimmere wie die Religionen.

Ich spreche jetzt wie Pilatus, sagte der Pfarrer und blickte mit diesen Ringen unter den Augen auf den Philosophiemann: Was ist Wahrheit? Aber bevor sich die Dinge noch weiterentwickeln konnten, war der Pfarrer mit seinen mickrigen Kabeljaus schon in den Ferguson gestiegen und die Wahrheit war davongebraust.

Gusi stopfte Borkum Riff in seine Pfeife und zündete sie an. Ein Hoch stand im Westen und es war warm und der Duft von Gras und Seetang hing in der Luft. In der kleinen Bucht quakten Eidererpel ihren Gefährtinnen ihr »Uh-uh« zu und der Bach draußen bei den Häusern schoss an den Strand. Ich erinnere mich genau, wie der Bach an den Strand schoss. Gusi fragte den Philosophiemann in aller Ruhe, warum man eigentlich Philosophie studieren solle. Der Philosophiemann starrte eine Weile konzentriert vor sich hin, so als feile er an einer guten Antwort, aber sagte dann: Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich studiere Philosophie, damit ich die Welt besser verstehe.

Es war dann so, dass manche zu den Bergen aufblickten und sahen, dass bei dem warmen Wetter viel Eis in den Rinnen geschmolzen war, und andere auf den Fjord hinausspähten und sahen, wie die Wellen an der Schäre anbrandeten und daher kein Wetter zum Fischen war, und dann blickten Ebbi und Bensi einander an, dann den Philosophiemann, und einer von beiden sagte: Was ist es, mein Freund, das du nicht verstehst?

Das Begräbnis von Snæfríður und Überlegungen zur nächsten Welt

Kein Wetter zum Hinausfahren in den letzten Tagen. Eine Windfront aus Westen und Nordwesten im Fjord und die Seehunde wälzen sich auf den Schären und warten auf ein Wunder. Die Wolken sehen nicht viel anders aus als auf den Heiligenbildchen der Sonntagsschule, die wir als Kinder gesammelt haben und auf denen Christus gerade im Begriff war, vom Himmel herabzusteigen. Weiße, dicke Pölster mit Löchern aus dem Blau des Frühlingshimmels dazwischen. Hierher ist dennoch kein Christus gekommen, und auch keine anderen Touristen, andererseits ist die alte Snæfríður von Kúvíkurnes ihren Weg gegangen. Sie wurde am Sonntag beerdigt und wir Küstenfischer erschienen zahlreich zu ihrem Begräbnis.

Der Körper der alten Snæfríður war völlig gekrümmt nach einem langen Leben voll harter Arbeit, in dem sie sich über sonnengetrockneten Salzfisch gebeugt, Kühe gemolken und um dreizehn Kinder gekümmert hatte, die alle das Erwachsenenalter erreichten. Diese rückenkrumme Frau, die das Leben geschunden und gebeugt und zu einem großen Fragezeichen geformt hatte, strickte ohne Unterlass bis zu ihrem letzten Atemzug weiter, wie gesagt wird, und aller Wahrscheinlichkeit nach starb sie mitten in einem Socken.

Das alte Ehepaar, Snæfríður und Þorsteinn, wohnte zusammen in einem Keller auf Kúvíkurnes, aber ihr Sohn und seine Familie leben auf dem Hof. Jetzt ist es eher traurig in Þorsteinns Umgebung. Er hat sicher ein paar Alterswehwehchen, aber er kennt eine unglaubliche Menge Strophen und Lieder aus alter Zeit. Þorsteinn hatte sich sicher eine ganze Weile darüber gewundert, dass seine Snæfríður nicht aufwachen und zu den Stricknadeln greifen wollte. Als die Leute auf dem Hof ihm sagten, dass Snæfríður gestorben sei, sprach er diese unvergesslichen Worte: Ach so, ist sie tot? Sie ist bis jetzt noch nie gestorben.

Und das war genau genommen ganz richtig, was Þorsteinn da sagte.

Der Wiesenrand um die Kirche war sattgrün geworden, und das Meer draußen blau und der Himmel, wie schon gesagt, mit weißen Kissen überzogen, bereit für Christus. Es herrschte ein ziemlicher Seegang und das Brausen der Brandung mischte sich in die Rede des Pfarrers, der über das Leben nach dem Tod sprach und wie wichtig es sei, vom Wasser des Lebens gekostet zu haben, so wie die selige Snæfríður, bevor man in der nächsten Welt ankomme.

Die Schafe blökten und grasten rund um die Kirche und man konnte sich gut vorstellen, dass sie Engel waren.

Ebbi und Bensi sind im Kirchenchor, so wie auch zwei Ehepaare von weiter fjordeinwärts, und es ist die größte Merkwürdigkeit, wie sehr ihre Stimmen zusammenklingen, wenn sie singen. Obwohl alles im Erscheinungsbild dieser Brüder gegensätzlich und widersprüchlich ist, bilden ihre Stimmen eine wunderschöne Harmonie, die alles Gegensätzliche auslöscht. Wenn sie an der Orgel stehen und das Herz der Kirche zu schlagen beginnt und ein Gebet in das Gewölbe darüber schickt, dann werden sie wie zwei Algenbüschel in der Brandungszone, die sich in völliger Übereinstimmung wellen. Gusi saß neben mir und summte mit. Wie würde Gusi die Kirche einrichten, wenn seine Religion das entscheiden dürfte? Einen glänzenden Heilbutt als Altarbild, ein Seehundfell auf das Kreuz gespannt?

So wurde gesungen in der kleinen Holzkirche am Meer und die Brandung stimmte in jeden Vers ein und durch die Wolken blitzte der Himmel und dichte Sonnenstrahlen streiften die Inseln weiter draußen.

Was wird aus uns?

Ich meine, wohin geht das Leben nach dem Tod und was soll man in der nächsten Welt tun? Geht das Leben vielleicht nirgendwohin? Ist das vielleicht so, wie man sich satt auf eine Bank legt und einschläft und aufwacht und dann ist die Sattheit dahin? Verlässt einen das Leben wie die Sattheit und ist nicht mehr? Oder verlässt man vielleicht den Körper? Muss man umherwandern wie ein Geist, oder warum heißt es in dem Psalm, den wir sangen:

Wenn einst der Leib zerfallen werde,

verschwinden wie das Streu der Erde,

dann kann doch Gottes Erbarmen

von der Erd erwecken den Armen.

Wird Gott uns vielleicht lange, nachdem wir begraben wurden, aus der Erde holen? Ich lege keinen Wert darauf, auf diesem Friedhof mitten in der Nacht einer Schar frisch aus den Gräbern Gestiegener zu begegnen. Vielleicht erhalten wir dann diesen sogenannten geistigen Leib, und ob das wohl dasselbe ist wie das, was manche Seele nennen?

Über all das begann ich während der Messe auf der Kirchenbank nachzudenken und kam auf keinen grünen Zweig mit meinen Gedanken. Þorfinnur, der Organist, schlug die Orgel zu den Psalmen, was falsch klang. Er gab der Orgel die Schuld – wie ein schlechter Ruderer dem Paddel die Schuld gibt.

Ich ging als Letzter aus der Kirche und der Pfarrer schüttelte mir in der Tür die Hand. Da fiel mir ein, ich könnte meine Nachweltüberlegungen mit ihm besprechen, aber das Gespräch lief aus dem Ruder:

Ich: Ach, ja, nein. Das wird sich schon noch zeigen …

Pfarrer: Gut, gut, Halldór. Das ist alles, was zu sagen ist.

Sind Schafe Engel?

Das hängt davon ab, wie man es betrachtet, lieber Halldór. Sie sind dicklich und lockig. Und dienen dem Menschen, sodass die Frage sicherlich Hand und Fuß hat. Und dann lachte der Pfarrer und es klang so, wie wenn ein Blasebalg Luft ansaugt oder wie wenn man auf einen halbtoten Seehasen steigt.

Wir machten auf dem Heimweg auf Hneitistaðir halt. Noch mehr Kaffee. Noch mehr hauchdünne Pfannkuchen. Am Küchentisch auf Hneitistaðir herrscht überbordendes Leben in jedem Winkel. Anna, die Frau des Bauern Grímur, lacht über jeden Satz, der geäußert wird, wodurch der Satz sofort lächerlich wird. Und ihr Doppelkinn schwingt hin und her, wenn sie lacht. Dann ist da auch die alte Sigurveig, die auf einem Hocker beim Herd sitzt und schon lange mit der Einrichtung eins geworden ist. Sie sitzt zuerst ganz regungslos da, während gesprochen wird, und reckt den Kopf ein wenig, sodass sie in vielem an einen Goldregenpfeifer erinnert, der innehält und nach dem Wurm horcht. Dann sagt man etwas Komisches, das sie versteht, und dann sagt sie: Gott Allmächtiger, und lacht auf und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie es auch so meint.

Ich war wohl ein wenig verkatert und begann, darüber nachzudenken, dass die nächste Welt wahrscheinlich ähnlich wäre wie diese: In einem Zustand verkaterter Idiotie zwischen Bauernhöfen herumgefahren zu werden, auf denen schwergewichtige Hausfrauen Pfannkuchen backen und einem immer die saftigsten Geschichten von den benachbarten Höfen als Draufgabe aufgetischt werden. Und das Doppelkinn der Hausfrauen schwabbelt, wenn sie lachen.

Das wäre ja eine brauchbare Welt danach.

Nein, da schau her, es ist ziemlich sinnlos, darüber nachzudenken, mein lieber Dóri, sagte Ebbi und zuckerte sich seinen Pfannkuchen. Sieh mal, keiner weiß, was nach dem Leben passiert, aber alle werden es eines Tages wissen. Es bringt nichts, mitten im Winter darüber nachzudenken, wie das Gras im nächsten Sommer sprießt. Im Gegenteil, im Gegenteil, kam es da von seiner anderen Hälfte, wenn du dir nie ein Bild vom Leben nach dem Tod gemacht hast und nichts ersehnst, dann ist es auch nicht sicher, dass sich irgendetwas bei dir ereignen wird. Zuerst muss man einen Traum haben, und dann an ihn glauben, bis er wahr wird. Ja, ich meine, genau so ist es, und Annas Doppelkinn wackelte und die alte Sigurveig sagte: Gott Allmächtiger. Die Gardine wellte sich in der westlichen Brise. Es war sonnig geworden.

Tja, das wäre wenigstens ein Paradies, von deinen Kindereien befreit zu werden, sagte Ebbi. Bensi: Kindereien! Und damit hob der Gesang dieser Stimmen an, die entweder Einklang oder Misston produzieren, und Doppelkinn und Gott Allmächtiger tanzten wie nie zuvor.

Als wir nach Hause kamen, ging ich hinunter zu meinem Boot und da war Gusi auf der »Seeadler« beim Knüpfen der Fangleinen. Jetzt stand der Wind aus Westen und Gusi erzählte mir die Geschichte, als er im Weststurm vor einem Jahr auf die Nase gefallen war, sechs Seemeilen östlich der Heljarschären. Nie hatte er ähnlich heftige Seitenwinde erlebt. Plötzlich war es, als sei der ganze Himmel in Bewegung geraten, und die Wolken, die am ehesten noch fetten, nackten Weibern glichen, lösten sich in Ungeheuer auf, die auf die Bucht hinaus hetzten. Das nannte er eine große Tat. Kurze Zeit später kam eine kalte Wand auf ihn zu, Wellen, so scharf, dass er das Boot aus dem Brecher lenken musste, um nicht geradeaus einzutauchen und den Schwall an Deck zu bekommen. So hielt er eine Weile das Boot an derselben Stelle, bis er sah, dass das Land näherkam. Und was machte da der Alte?